Rezension

Im tiefen Süden

Cop Town - Stadt der Angst
von Karin Slaughter

Die Amerikanerin Karin Slaughter kennt man hierzulande als Autorin der Grant County- und Will Trent-Reihe, die beide in den Südstaaten spielen. Mit ihrer neuesten Veröffentlichung  „Cop Town“ verlässt sie eingetretene Pfade, denn dieses Buch ist weit mehr als ein Krimi bzw. Thriller. Zwar gilt es einen Cop Killer unschädlich zu machen, aber der Fokus des Romans liegt für mich eindeutig auf der Beschreibung der gesellschaftlichen Zustände im amerikanischen Süden Mitte der siebziger Jahre. Und hier legt die Autorin  gleich den Finger auf mehrere Wunden.

Handlungsort ist Atlanta, Hauptstadt des Bundesstaates Georgia (nebenbei bemerkt, hier wurde Karin Slaughter 1971 geboren). Wir schreiben das Jahr 1974, ein bedeutendes Jahr, denn zum ersten Mal wird mit Maynard Jackson ein hohes öffentliches Amt (Bürgermeister) mit einem Afroamerikaner besetzt. Die Zeichen stehen auf Veränderung, von denen nicht nur das Verhältnis zwischen schwarz und weiß, sondern auch das Verhältnis zwischen den Geschlechtern betroffen ist. Es scheint zwar, als würde endlich Bewegung in diese streng patriarchalisch ausgerichtete Gesellschaft mit ihren verkrusteten Strukturen kommen. Aber wenn man genau hinschaut, gestaltet sich der Alltag für die Bevölkerungsgruppen, die seit jeher gering geschätzt und entsprechend behandelt werden, nicht wirklich anders.

Auch im Atlanta Police Department ist es noch immer die alte Garde, die das Sagen hat und die Richtung vorgibt. Zwar dürfen mittlerweile auch Frauen in den Polizeidienst eintreten, aber sie werden bis aufs Blut von ihren männlichen Kollegen schikaniert. Das müssen auch Kate Murphy und ihre Partnerin Maggie Lawson leidvoll erfahren, die sich täglich mit anzüglichen Bemerkungen, derben Späßen und sexuellen Belästigungen auf dem Revier auseinandersetzen müssen. Aber es sind nicht nur die weiblichen Polizisten, auch Afroamerikaner haben ebenfalls unter der Engstirnigkeit und den Vorurteilen ihrer weißen Kollegen zu leiden. Gewalt prägt den Alltag und den Umgang nicht nur untereinander in der Truppe, sondern auch auf den Straßen, wenn Streife gefahren wird. Das Department regelt seine Angelegenheiten selbst und macht sich seine eigenen Gesetze. Und wehe, es kommt ihnen jemand in die Quere…

„Cop Town“ ist meiner Meinung nach einer der beste Thrillern, die Karin Slaughter bisher geschrieben hat: die intensive Beschreibung der gesellschaftlichen Verhältnisse in den Südstaaten, die atmosphärisch dichten Schilderungen des Lebens in den Ghettos, die detailliert ausgearbeiteten Charaktere, insbesondere die beiden Protagonistinnen Kate und Maggie, und eine spannende Handlung, die durch die verschiedenen Wendungen zu keinem Zeitpunkt langweilt. Großes Kino!