Rezension

Jeder Mensch hat dunkle Gedanken. Wie lauten deine?

Die Schwester -

Die Schwester
von Petra Johann

Bewertet mit 5 Sternen

Alles nimmt seinen Anfang an diesem einen Wochenende, an dem Mara auf die Kinder ihrer Schwester aufpasst. Lisa nimmt an einer Fachtagung für Onkologie in Moosbach teil, während Tim, Lisas Mann, zu einem Junggesellenabschied nach Hamburg fährt. Lisa kommt am Sonntag Abend nicht nach Hause und erscheint auch am Montag nicht zu ihrer Schicht im Krankenhaus. Für eine Frau, die nach Aussage ihrer Familie zuverlässiger ist als eine Atomuhr, ist das äußerst ungewöhnlich.

Wie der Zufall es will, trifft Mara in Neustadt ihre Jugendliebe Oliver Breckenkamp, der bei der Kripo Neustadt für das Ressort „Vermisstenfälle“ zuständig ist. Da er Lisa von früher kennt und um ihre Zuverlässigkeit weiß, beginnt er – gemeinsam mit seiner Vorgesetzten Pia Meyer – in ihrem Fall zu recherchieren. Schnell finden Sie die ersten Hinweise darauf, dass Lisa gar nicht an der Tagung teilgenommen hat, weitere Nachforschungen ergeben auch, dass sie einen Bus genommen hat, um an einen anderen Ort zu fahren – es gibt jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass Lisa diese Ortsveränderung nicht freiwillig vorgenommen hat. Da in Deutschland eine erwachsene Person ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen darf und nichts auf ein Verbrechen hinweist, stellt die Polizei die Ermittlungen ein. Ein fataler Fehler, wie sich kurz darauf herausstellt, denn im Wald wird eine Leiche gefunden.

Handelt es sich bei der Toten um Lisa Bader-Menzel?

Ein neuer Krimi von Petra Johann?! Daran kann und darf ich nicht vorbeigehen, denn der Name der Autorin verspricht spannende und kurzweilige Lesezeit. Obwohl die Geschichte meiner Meinung nach ein paar kleine Schwächen aufweist, hat es Petra Johann erneut geschafft, mich komplett abzuholen.

Wie in allen ihren Büchern nimmt die Autorin sich viel Zeit ihre Protagonisten vorzustellen. So kann man sich ein umfassendes Bild der handelnden Personen machen. Aber: Die Erfahrung zeigt, dass der erste Eindruck nicht immer auch der richtige ist.

Lisa ist erfolgreich in ihrem Job als Ärztin, zielstrebig, zuverlässig, wohnt in einer der besten Wohngegenden in Neustadt (an der Waldnaab), ist liebevolle Mutter zweier Kinder und führt eine glückliche Ehe.

Mara wohnt in einer WG in München, hat ein Schlangen-Tattoo, zieht One-Night-Stands einer festen Partnerschaft vor und geht Gelegenheitsjobs nach. Aktuell lebt sie von den Einnahmen, die sie über die Social-Media-Plattform „OnlyFans“ generiert, dort zahlen Menschen dafür, dass sie sich (mehr oder weniger freizügige) Bilder anschauen können.

Nachdem die Polizei die Ermittlungen eingestellt hat, beginnen Mara und Tim auf eigene Faust zu recherchieren, unterstützt von einigen Leuten aus der Nachbarschaft. Was sie herausfinden ähnelt so gar nicht Lisas Verhalten, aber alles weist darauf hin, dass sie ein Doppelleben geführt haben muss, zumindest in letzter Zeit. Die schöne Fassade beginnt nach und nach zu bröckeln und auch in Tims Aussage zeigen sich die ersten Risse.

Ausgerechnet in der „Schatzkiste“ ihrer Nichte Alma findet Mara dann einen Hinweis, der der Geschichte eine komplett andere Richtung gibt und nach dem Auffinden einer Leiche, bei deren Identität es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um Lisa Bader-Menzel handelt, nimmt auch die Kripo Neustadt ganz schnell und reumütig die Ermittlungen wieder auf. Welche Wahrheit dann ans Tageslicht kommt, entspricht mal wieder meinem Lieblingszitat:

In jeder Person die du kennst, steckt eine Person, die Du nicht kennst.

Lisa muss vor ihrem Verschwinden unter großem Druck gestanden haben. Für mich nicht nachvollziehbar, warum man sich dann nicht den Menschen anvertraut denen man nahesteht, aber man kann das Handeln anderer Personen nicht immer verstehen.

Der Schluss hat mich nicht ganz so zufrieden zurückgelassen, wie ich es mir gewünscht hätte, trotzdem schließt er die Geschichte komplett ab. Der Titel „Die Schwester“ ist meiner Meinung nach irreführend, denn es geht nicht primär um die Beziehung der beiden Schwestern, obwohl diese eng und liebevoll war.

Die Geschichte wird überwiegend aus der Sicht von Mara in der Ich-Form erzählt. Als Leser ist man so mit dabei, wie Mara nach und nach die kleinen Geheimnisse ihrer Schwester aufdeckt, was einen durchgängigen Spannungsbogen schafft. Die Passagen der beiden Kripobeamten werden aus der Sicht einer dritten Person erzählt, wobei Oliver sowohl als Polizist, als auch als Privatperson und Ex-Freund von Mara agiert.

Petra Johann hat es mit „Die Schwester“ wieder einmal geschafft, mich rundherum hervorragend zu unterhalten und mir ein paar kurzweilige Stunden zu schenken.