Rezension

Keine Dystopie mehr!

Schwachstellen -

Schwachstellen
von Yishai Sarid

Bewertet mit 3.5 Sternen

In dem aktuellen Roman „Schwachstellen“ von Yishai Sarid werden dem Leser die negativen Seiten der künstlichen Intelligenz mehr als drastisch vor Augen geführt. Erschütternd sind zudem die vielen verstörenden Bilder, die in dem Text erzeugt werden und die im Kontext der aktuellen Lage in Nah-Ost kaum zu ertragen sind.

Der Roman setzt mit dem Ende der Militärzeit des Protagonisten Siv ein, aus dessen Perspektive er verfasst wurde. Siv ist ein Computerspezialist und Hacker, der Schwachstellen im Netz wie kein anderer aufspürt. Neben dieser Hochbegabung zeichnet den jungen Mann aber insbesondere aus, dass er nicht oder nur vordergründig in der Lage ist, mit seinen Mitmenschen „normal“ zu kommunizieren, da er in seiner Kindheit durch die Vergewaltigung seiner Schwester, an der er sich die Schuld gibt, traumatisiert wurde. Diesen Umständen geschuldet ist er das ideale Opfer für eine kriminelle IT-Fima, die weltweit für korrupte Diktaturen im Bereich der Spionage arbeitet. Bei seinen Einsätzen wird schnell deutlich, dass Siv für ein Lob wortwörtlich über Leichen geht und es schafft, die negativen Folgen seines Handelns auszublenden. Hinzu kommt, dass er auch in seinem privaten Umfeld beginnt, diese Technologien einzusetzen, um seine Mitmenschen für seine Zwecke auszuspionieren. Dass ihm dieses unmoralische Verhalten irgendwann zum Verhängnis wird, ist nicht überraschend…

Sprachlich ist der Text monoton. Er besteht aus vielen Hauptsätzen und ist dadurch sehr langatmig. Emotionen fehlen genauso wie unterschiedliche Perspektiven. Aber dieser Stil passt zu der Perspektive von Siv, gerade weil er so eindimensional wirkt. Auffällig erscheint die Tatsache, dass der Leser aus all diesen Gründen stets auf Distanz zum Geschehen gehalten wird.

Wenn man diese Lektüre zur Hand nimmt, muss man sich dennoch auf viele grausame Szenen einlassen können. Sie zu reflektieren und zu verarbeiten, stellt eine Herausforderung dar. Folgt man diesem Prozess, wird man mit vielen aktuellen moralphilosophischen Gedanken belohnt. Gelungen sind in jedem Fall die Denkanstöße in Bezug auf die brisante Thematik des „Gläsernen Menschen“ und des eigenen Umgangs mit SocialMedia.  Die hier beschrieben Technologien und ihre Folgen sind jedenfalls realistischer als sie auf den ersten Blick wirken und somit nicht mehr dystopisch!

Fazit: Ein ungewöhnlicher und sperriger Roman, welchen man sich erarbeiten muss. Der Ertrag auf moralphilosophischer Ebene ist aber durchaus lohnenswert!