Rezension

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** Kindheitserinnerungen **

Cry Baby - Scharfe Schnitte - Gillian Flynn

Cry Baby - Scharfe Schnitte
von Gillian Flynn

Bewertet mit 3 Sternen

Wind Gap. Eine Kleinstadt im Amerika. Ein ermordetes Mädchen wurde vor wenigen Monaten in einem Bach aufgefunden, all ihre Zähne wurden vom Täter gezogen. Ein weiteres Mädchen ist nun verschwunden und es ist bisher völlig unklar, wer zu so etwas im Stande sein könnte.

Camille Preaker ist in Wind Gap aufgewachsen und kennt den Ort wie ihre Westentasche. Dennoch suchte sie die Flucht, sobald sich die Gelegenheit ergab. Heute arbeitet sie in Chicago als Journalistin bei einer kleinen Zeitung. Mit ihrer Heimatstadt, ihrer Kindheit und ihrer Familie verbindet sich nichts Gutes. Von ihrer Mutter erfuhr sie nie Liebe und auch mit dem Elternhaus an sich, bringt sie keine positiven Erinnerungen in Verbindung. Ihre jüngere Schwester war unentwegt krank und wurde von ihrer Mutter umsorgt. Dennoch starb die Schwester im Kindesalter. Zu ihrer viel jüngeren Stiefschwester Amma hat sie so gut wie keinen Draht.

Camille kam mit der fehlenden Liebe, den Ausgrenzungen und den damaligen Umständen nicht zurecht, so dass sie anfing, sich selbst zu verletzten. Ihren Körper zieren unzählige in die Haut geritzte Wörter. Nun, viele Jahre nach ihrer „Flucht“ in die Großstadt, beauftragt ihr Redakteur sie mit dieser Story. Sie soll nach Wind Gap fahren, an alte Kontakte anknüpfen und auf eigene Faust ermitteln um einen guten Zeitungsartikel abliefern zu können. Kein leichtes Unterfangen für die Frau, die für diese Stadt nur Abscheu und Ekel empfindet. Dennoch nimmt sie die Herausforderung an und zieht sogar vorrübergehend wieder in das Haus ihrer Mutter. Diese ist, genau wie ihr Stiefvater und ihre Stiefschwester, wenig erfreut über ihren Besuch.

Die junge Reporterin fühlt sich zurück versetzt in eine Zeit, die sie als die schlimmste ihres Lebens beschreiben würde. Die kalte, herrschsüchtige Mutter, die unentwegt zwischen übertriebener Fürsorge und fiesen Gemeinheiten schwankt. Doch Camille versucht, den Grund ihres Besuches in Wind Gap nicht aus den Augen zu verlieren. Sie will herausfinden, was mit den beiden Mädchen geschehen ist und ob die Taten von einem Einheimischen – vielleicht sogar einem Bekannten/Freund/Klassenkamerad von damals – oder einem Fremden verübt wurden. Sie will ihrem Chef eine erstklassige Story abliefern, denn das schuldet sie ihm. Nur durch ihn konnte sie dem damaligen Teufelskreis und den zwanghaften Selbstverstümmelungen entkommen.

Als Leser bekommt man nach und nach einen recht guten Eindruck des Hauptcharakters. Camille scheint viele Probleme zu haben, was einen während des Lesens teilweise ein beklemmendes Gefühl beschert. Ihre Sucht sich zu ritzen und ihre Gedanken, die sich häufig um Wörter drehen, die sich auf ihrem Körper befinden, wirkten auf mich sehr „speziell“. Ohne Frage kann man beim Kennenlernen von Adora – Camilles Mutter – verstehen, warum die Journalistin eine so schlimme und herzlose Kindheit hatte und noch heute unter den Folgen zu leiden hat. Obwohl sie eine erwachsene Frau ist, versucht sie, selbst ihrer 13-jährigen „coolen“ Schwester Amma, sowie deren Freunden zu gefallen und schlittert dabei in einen Sumpf aus Alkohol und Drogen.

Hierbei wird es immer schwieriger, die Story im Auge zu behalten. Zu viele schlechte Erinnerungen stecken in Wind Gap. Doch dann wird das zweite, bislang verschwundene Mädchen, tot aufgefunden – auch ihr fehlen alle Zähne. Nach und nach schleicht sich bei Camille ein leiser Verdacht ein. Könnte ihr der Täter vielleicht näher sein, als sie gedacht hatte?

Ohne zu viel verraten zu wollen: Im Grunde merkt man während des Lesens recht zügig, welche Personen aus Wind Gap „Dreck am Stecken“ haben und welche sich einfach nur wichtig machen wollen. Als sich nach und nach die fehlenden Puzzleteile ergänzen, ist man als Leser weniger überrascht, als es die Autorin sicher gewollt hätte. Im Grunde konnte man „Cry Baby – Scharfe Schnitte“ flüssig lesen, konnte die beschriebenen Personen zügig zuordnen und stolperte auch über wenige offene Fragen. Dennoch beschäftigt sich die Story weniger mit den Morden und der Suche nach dem Täter, als vielmehr um Camille, ihrer Kindheit, sowie ihrer grausamen Mutter und ihrer verrückten Stiefschwester.

Der Schreibstil von Gillian Flynn erinnert auch in „Cry Baby – Scharfe Schnitte“ an ihre vorherigen Bücher. Eine düstere Geschichte, mit problembehafteten Charakteren, deren Leben nicht so verlaufen ist, wie man es sich wünscht. Ich empfand dieses Buch keineswegs als schlecht, allerdings muss ich gestehen, dass ich langsam genug von Flynns Art der Schreiberei habe.