Rezension

lässt sich ratzfatz lesen

Laufen - Isabel Bogdan

Laufen
von Isabel Bogdan

Bewertet mit 3 Sternen

Interessantes THema - Leichte Lektüre - Sprachstil so lala

Laufen. Ich selbst laufe seit Jahrzehnten, ich habe auch zwei Jahre gebraucht, um eine Krise zu verarbeiten und ich interessiere mich für existentielle Themen, also kein Wunder, dass ich zu diesem Buch griff.

Die namenloses Protagonistin um die Vierzig, Orchestermusikerin, läuft nach 6-8 Jahren wieder los. Es ist ihre Verarbeitungsstrategie nach dem Tod ihres Partners Johann. Lange ist von Unfall die Rede. Während des Laufens entwickelt die Ich-Erzählerin ihre Geschichte, lässt sich via Schachtelsätzen in ihre Gefühle („Wie stellst du dir das denn vor, dass ich ohne dich leben soll?“,22) (...“ich habe...auch zu viel Liebe, ich weiß gar nicht wohin mit der Liebe, die kann ich ja nicht einfach auf jemand anderen kippen“,24)und ihre Gedanken fallen. Die Protagonistin läuft, um nicht denken zu müssen und tut genau das. Der große Elefant, der im Raum steht. Was wirklich vorgefallen ist, erfährt der Leser erst ab Seite 60. Das erzeugt Spannung und Motivation zum Weiterlesen.

Die Sprache ist leicht, umgangssprachlich, ständig mit vielen Fäkal-ausdrücken geschmückt „verfickte erbärmliche Scheißidee“, „Scheißleben“, „Verzweiflungsvögeln“, „bescheuert“ usw., was etwas verwundert, ist die Autor doch akademisch vorbelastet und übersetzt Literatur. Doch jeder Mensch hat verschiedene Facetten und sicher ist der Stil auch bewusst gewählt, um die Gefühle, Wut und Co, plastisch darzustellen, auch wenn es teilweise verwundert, wenn eine 51jährige Autorin schreibt „ich glaube, es hackt“. Normalerweise sprechen mich Bücher eines gehobenen Sprachstils an, aber auch hier findet sich die eine oder andere nette Metapher und mich hat der Inhalt interessiert. Ich habe das Buch gern gelesen, was auch in einem Zug geht. Im doppelten Sinne der Wortbedeutung.

Das Verhältnis zu den Eltern des Partners ist zerrüttet, sie geben der Freundin ihres Sohnes indirekt die Schuld an dessen Tod. Wie Insolvenzverwalter kassieren sie, ohne Rücksicht auf die Gefühle der Protagonistin, all seine Habseligkeiten nach seinem Weggang ein. Für diejenigen Leser, die ähnliches durchlebt haben, „diese entsetzliche Lücke“, Einsamkeit, das Loch, ist so vieles nachvollziehbar „..so ist es nämlich mit der Einsamkeit, man wünscht sich fast, dass die Kassiererin die Kasse zumacht und einen in den Arm nimmt...“, 36). Humor ist auch vorhanden, v.a auch, wenn sie sich nach dem Laufen beschreibt: „...die mittelalte, mittelfitte, mittelgut aussehende Joggerin mit dem roten Shirt und dem roten Kopf...“(46). Nach und nach erfährt der Leser, dass ihr Freund Depressionen hatte, dass er Suizid begann und dass die Beziehung eigentlich doch nicht mehr so intakt war, sie sich nicht mehr aufgehoben fühlte. Irgendwann legt sich der Schalter um, Lebensfreude kommt wieder auf. Sie hat einen 10km Volkslauf absolviert: „Ich habe es geschafft. Ich kann alles schaffen“ (121) und die Autorin bleibt im Bild „ich bekomme langsam wieder Luft“. Interessant finde ich die Positiionierung der Seitenzahlen am rechten Buchrand noch nie gesehen. Gut finde ich auch, wie die Autorin schildert, wie die ewig gut gemeinten Ratschläge von außen auf Betroffene tatsächlich wirken. Ihre Freundin Rike ist wahrlich Gold wert, Freunde sind immer Gold wert.

Für eine lockere, flockige Lektüre mit ernstem Thema gibt es von mir 3 Sterne. Die Kommentare der Zeit und des NDR Kulturjournals auf dem rückbändigen Einband halte ich für übertrieben, es sind natürlich auch immer wieder gerade solche Kommentare, die Leser zu Büchern greifen lassen.