Rezension

Mehr als Titel und Cover versprechen

Verlieb dich nie in einen Vargas - Sarah Ockler

Verlieb dich nie in einen Vargas
von Sarah Ockler

Die schlimme Diagnose Alzheimer fesselt Jude mit ihrem Vater den letzten Sommer vor dem College an zu Hause. Sie will für ihren Vater da sein, ihn vielleicht wieder gesund machen.
Helfen soll dabei ein Motorrad, welches sie im Schuppen findet. Beim Anblick blüht Judes Vater auf und erinnert sich an seine Vergangenheit. Aber seine Aussetzer werden immer schlimmer, und Jude weiß nicht, ob und wie das Motorrad ihm helfen kann.
Bei der Reperatur der Maschine hilft der junge Emilio Vargas. An sich kein Problem, hätten nicht Judes ältere Schwestern mit seinen älteren Brüdern sehr sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb musste Jude schwören, sich nie in einen Jungen der Familie zu verlieben.

Aber was hilft einem der Schwur, wenn man auf eigenen Beinen stehen möchte? Wenn man plötzlich feststellt, wie sehr man das Leben eigentlich schätzt?

"Verlieb dich nie in einen Vargas" sieht nach einem Jugendbuch aus, wie es sie zu Hauf auf dem Markt gibt. Ich habe mir das Buch ausgesucht mit der Erwartun, eine nette Liebesgeschichte zwischen Junge und Mädchen zu haben, die nicht sein darf und mit Witz und Charme unterhält.
Stattdessen muss sich die 17-jährige Jude mit einem frühzeitig an Alzheimer erkrankten Vater und einem verbotenen Jungen auseinandersetzen. 

Was mich zunächst etwas irritierte, war aber nach kurzer Zeit sehr lesbar. Statt einem oberflächlichen Roman hatte ich eine tiefgehende Geschichte vor mir, die mich bis ins Herz berührte, besonders die Geschichte mit der Krankheit Alzheimer. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass in unserer Familie auch Alzheimer vorkam. Und wir müssen damit rechnen, dass es genetisch ist, weil es wiederholt vorkam.
So oder so habe ich die Machtlosigkeit bei der Erkrankung selbst erlebt. Sie hat meinen Namen vergessen, mich mit dem meiner Cousine angesprochen. Sie hat vergessen wieviele Kinder sie hatte und wo sie war. Warum sie wo war. Wer sie war. Das ist ziemlich schrecklich, weil man einfach gar nichts daran ändern kann.
Zu lesen, wie Jude ihren Vater retten will aber einfach machtlos ist, hat mich auch beim Lesen fertig gemacht.
Mehrfach war da ein dicker Kloß im Hals, der nur verstärkt wurde durch den schweren Start der Liebesbeziehung.

Jude war für mich auf den ersten Seiten des Buches die naive junge Dame, die ihren Kopf durchsetzen will und dann über die Liebe alles und jeden vergisst. Der Freundschaftskonflikt, der bereits angedeutet wurde, war so klassisch, dass ich das Buch schon als langweilig abschrieb. Und dann kam die Szene im Supermarkt und ich saß mit offenem Mund vor den Seiten und wollte Jude nur umarmen. Da hat sich die Figur entfaltet und gezeigt, was in ihr steckt. Das fand ich super sympathisch. Danach mochte ich gerne mit ihr lesen.
Auch ihre Art, zu hoffen und zu wünschen, was naiv sein kann, aber auch von junger Unschuld zeugt, hat mich angesprochen. Sie wurde erst erwachsen, musste aus der Rolle der behüteten kleinen Schwester heraustreten.

Von der Liebe zu Emilio, die wie ein erster Flirt beginnt und sich zu etwas sehr großem entwickelt, war schön zu lesen. Natürlich war es an dieser Stelle wenig überraschend, wie die Dinge sich entwickeln. Wir können Verbotenem nicht wiederstehen - und einen attraktiven Jungen nicht lieben zu dürfen, weil er tabu ist, hat schon Julia mit ihrem Romeo ins Grab gebracht. Und Emilio schien von Anfang an ein Prachtexemplar zu sein! Warum sollte Jude ihm wiederstehen?
Dass er doch anders ist als seine Brüder bewies er auch zunehmend. Und endlich endlich nahm Jude den Mut, aus dem Schatten ihrer Schwestern zu gehen und ein eigenes Leben zu führen!

Was soll ich dem Buch anderes geben als volle Punkzahl, wenn es mich beschäftigt, mitgenommen und begeistert hat? Einen Pluspunkt erhält es vor allem deshalb, weil es überrascht hat! Auch der Debütroman von Sarah Ockler soll ja so toll sein, das Buch werde ich mir wohl auch zulegen!