Rezension

Mehr Menschlichkeit, weniger Ideologie

Über Menschen
von Juli Zeh

Juli Zeh greift wieder ein Thema auf, was sie bereits früher umtrieb und weiter umtreiben wird: Die Freiheit der Bürger in ihrer Meinung und ihrem Leben. Im Vergleich zum facettenreichen "Unterleuten" begrenzt Zeh in diesem Roman den Blick jedoch auf nur eine Protagonistin und deren Erlebnisse. Dora, welche der Stadt entflieht und in einem Dorf in Brandenburg vor Berliner Corona-Aufregung und dogmatischem Freund Schutz sucht. Dort entwickelt sich, für sie unerwartet, eine Nähe zum Dorf-Nazi und den politisch nicht immer korrekt eingestellten Dorfbewohnern.

 

Gewohnt süffig und durchaus witzig beschreibt Zeh nun die Annäherung zwischen Städterin und Dörflern. Leider ist der Plot zu überzufällig-märchenhaft angelegt und wenig überraschend. Es menschelt gar sehr im neuen Roman, wobei man zugeben muss: Er heißt ja nun einmal "Über Menschen". Für Leser*innen aus dem städtischen Mittelstand (laut stereotypen Bild) könnten hier noch neue Erkrenntnisse lauern, für ländliche oder offenere Leser*innen wohl eher weniger. Denn wer z.B. sowieso schon in einem Dorf mit 50% AfD-Wählern lebt, wird eines schon kapiert haben: Auch diese Menschen, so wenig man deren Einstellungen mag oder teilt, sind Menschen und können durchaus auch unerwartet nette Dinge tun. 

 

Die Dramaturgie des Romans ist knackig und flott angelegt. So könnte man sich gut eine Verfilmung vorstellen. Mir war das Ganze manchmal schon fast ein wenig zu sehr Richtung Kitsch geneigt. 

 

Und trotzdem: Zeh konnte mich einmal mehr fesseln und erreichen mit ihrem Roman. Zwar weniger als noch mit "Unterleuten", trotzdem handelte es sich um eine durchaus lohnenswerte Lektüre.