Rezension

Über Land, Leute und lose Enden

Über Menschen
von Juli Zeh

Bewertet mit 5 Sternen

In Corona bedingten bewegten Zeiten hat Dora genug von ihrem bewegten Leben in Berlin. Genug von ihrer Arbeit in einer nachhaltigen Werbeagentur und genug von Robert, ihrem klimaschutzeiferndengeifernden Freund. In Bracken, in der tiefsten Provinz Brandenburgs kauft sie ein marodes Haus und zieht mit ihrer Hündin Jochen-der-Rochen und sonst eigentlich fast nichts dorthin. Kaum angekommen macht sie mit ihrem Nachbarn Gote „ Ich bin hier der Dorf-Nazi“ Bekanntschaft. Dora ist entsetzt, entsetzt über Gote und andere Männer – selbsternannte Übermenschen in Unterhemden. Männer, die gerne mal zum gemütlichen Feierabendbier das Horst-Wessel-Lied anstimmen. Ihre Stadtflucht droht zur persönlichen Katastrophe zu werden. Doch Menschen haben immer mehrere Seiten.

Juli Zehs hervorragendes Buch konfrontiert seine Protagonisten wie auch seine Leserinnen und Leser mit Klischees und Vorurteilen. Es gilt herauszufinden, in welchen Situationen und bei welchen Menschen sie sich bewahrheiten oder eben nur das bleiben; Klischees und Vorurteile. In beidem finden sich oft ganz kleine Brüche im Denken, Fühlen und Handeln, die ein Klischee wiederlegen oder ein Vorurteil bestätigen. Da das Buch ganz aktuell in der Corona Zeit spielt, ebenso wie in politisch aufgeheizter Stimmung, gibt es der Leserschaft sehr viele Denkanstösse und wirft Fragen an das eigene Denken, Fühlen und Handeln auf. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, den wird das Buch noch lange beschäftigen.