Rezension

Leicht provokanter politischer Gesellschaftsroman in lockerer Sprache

Über Menschen
von Juli Zeh

Bewertet mit 4 Sternen

Locker geschriebener, leicht zu lesender, hochaktueller politischer Gesellschaftsroman mit viel Zündstoff, gegen Schwarz-Weiß-Denken

Ein hoch aktueller Roman, in dem Juli Zeh den Finger auf (nicht in) die Wunden unserer Zeit legt: die Pandemie und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen, Umweltzerstörung und Klimawandel, Neonazis und die Probleme der Menschen im Miteinander, die Spaltung der Gesellschaft.

Ist es ein Roman 'Über Menschen' oder über 'Übermenschen', solche, die sich besser als andere fühlen? Die Nazis fühlten und bezeichneten sich als Übermenschen, aber auch Linke wiederum titulieren diese als 'Abschaum', was auch fragwürdig ist. An einer Stelle schreit die Hauptperson Dora den Nazinachbarn Gote an, dass sie tausendmal besser sei als er und identifiziert das später als 'die Mutter aller Probleme' (367).

Die Werbetexterin Dora ist aus der Großstadt und vor ihrem Freund, der ihr ständig strikte Umwelt- und Corona-Verhaltensregeln auferlegen will, in die tiefste Provinz geflüchtet, wo sie ein altes renovierungsbedürftiges Gutshaus gekauft hat. Beim Umgraben im Garten reflektiert sie die vielen aktuellen Probleme (s.o.), aber zunehmend wird eine andere Frage akut. Ihr Nachbar Gote stellt sich als Dorf-Nazi vor und von anderen hilfsbereiten Nachbarn hört sie rassistische Äußerungen und geschmacklose Witze.

'Wie dem Alltagsrassismus oder einem Nazi begegnen? 'Ist es möglich,'Ausländerfeindlichkeit nicht böse zu meinen?' (90) fragt sich Dora. 'Eben noch ein nettes Gespräch, plötzlich ein unkorrekter Spruch. Was dann? Das Gespräch abbrechen und die Unkorrektheit anprangern? Oder die Sache schweigend übergehen, so tun, als hätte man nichts gehört?' (86)

Diese Vorfälle zwingen den Leser, sich selbst darüber Gedanken zu machen und das hat mir am Roman so gut gefallen.

Manchmal gerät die Handlung an den Rand des Kitschigen und die Sprache ist – entsprechend Doras Gedanken – abgehackt, einfach, knapp, ohne Schnörkel. Viele Probleme unserer Gesellschaft werden nur kurz angerissen und nicht vertieft, aber das hat mich nicht gestört. Im Gegenteil: das Buch wirkt noch ein wenig in mir nach und lässt mich weiter über einiges nachdenken. Insofern ist das Buch nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick wirkt.

Wer sich gerne mit aktuellen Problemen unserer Gesellschaft in lockerer Art und Weise beschäftigt, gewürzt mit Sprachspielereien und ein wenig Humor, dem kann man Juli Zehs Buch nur empfehlen.