Rezension

Um einmal nach dem Rechten zu sehen, kann ja so falsch gar nicht sein

Über Menschen
von Juli Zeh

Bewertet mit 5 Sternen

Berlin Anfang 2020, Corona schreckt bereits, die Klimadebatte nicht mehr so drängend.
Dora mit Hündin Jochen und Fahrrad Gustav von Berlin nach Bracken. Das kann lustig werden? Wenn’s nach Zeh geht nicht unbedingt, vielleicht zwischendurch.

Wer kämpft hier? Stadt gegen Land, Stadt gegen Menschen, Mensch gegen Land, oder überhaupt umgekehrt oder Mensch gegen Mansch, eigentlich.
Und da ist wieder, das Tier und der Mensch, die kleine Hündin Jochen-der-Rochen und Dora. Robert oder Jochen-der-Rochen. Keine Chance gegen Jochen… und schon gar nicht gegen Dora mit Jochen…

Dora, arbeitet in einer Werbeagentur ist Pragmatikerin, Robert das Gegenteil von ihr und deshalb bald Geschichte. Dafür ist sie in Bracken nun „Unter Leuten“ – wer hätte das gedacht. Zeh versteht das Wortspiel, sie spielt mit Worten.
Landflucht, das Ereignis eines geheimen Programms zum Bevölkerungsaustausch (Zitat).

Das berauschende Gefühl von Freiheit, das sich einstellt, wenn man beschlossen hat, auf alles zu scheißen (Zitat).

Dem Leben beim Stattfinden zu schauen. Um einmal nach dem Rechten zu sehen, kann ja so falsch gar nicht sein (Zitat).

Eine Erstverschlechterung, nach der es jetzt aufwärts geht. Wer kein Glück verlangt, wird nicht vom Unglück bestraft (Zitat).

Was ist der Unterschied zwischen einem Realisten und einem Illusionisten? Der Realist sagt, dass ein Vogel mit einem Schnabel nicht lachen kann, der Illusionist sagt, der Vogel lächelt.

Das Leben von Sadie ist krass und Zehs Einlassungen so krass, dass es dir die Nackenhaare aufstellt.

Ruhe und Einsamkeit wünschte sich Dora, bekommt jedoch Grote, den Dorfnazi als Nachbarn und Franzi, seine Tochter und spielt Familie bis sie wieder genau das bekommt was sie sich gewünscht hat: Ruhe und Einsamkeit, damit hat sich der Kreis geschlossen.

Fesselnder wie aufschreckender Schreibstil, nüchtern, nicht ohne Ironie, treffgenau, tut weh und doch nicht romantisch verklärend. Zeh ist und bleibt literarisches Phänomen.

Jochen auf dem Cover fragt sich: „Wann geht’s wieder zurück nach Berlin?“