Rezension

Mein erster Aichner hat Potential

Bösland - Bernhard Aichner

Bösland
von Bernhard Aichner

Bewertet mit 4 Sternen

Lebenslügen und Machtspielchen

„Ich wollte daran glauben, ich malte mir alles schön. Ich war naiv und dumm, weil ich mir wünschte, dass für immer alles so blieb. Schuld, die ich von meinen Schultern auf seine gelegt hatte.“

 

Inhalt

 

Ben kann sich an den Augusttag, an dem er für den Mord an seiner Klassenkameradin Mathilda weggesperrt wurde nur noch dunkel erinnern. Ein Golfschläger war es, der ihr den Kopf zerschmetterte und der Junge verbringt die nächsten Jahre in der geschlossenen Psychiatrie. Nur mit Hilfe seiner engagierten Therapeutin Frau Vanek gelingt es ihm nun, im Erwachsenenalter ein einigermaßen normales Leben zu beginnen. Die Psychiaterin empfiehlt ihm dennoch, sich den Erinnerungen aus der Vergangenheit zu stellen und seinen Heimatort aufzusuchen, sich mit alten Freunden zu treffen und sich mit seiner Mutter auszusprechen. Ben weiß, dass es ihm gelingen muss, alles aufzuarbeiten und stellt sich der schwierigen Aufgabe. Doch seine Mutter leidet an Demenz, nimmt ihn nur widerwillig bei sich auf. So beginnt Ben auf dem alten Dachboden zu stöbern, dort wo einst sein gewalttätiger Vater Selbstmord beging und sich sein jugendliches Leben vor dem Mord abgespielt hat – sein ganz persönliches Bösland. Er entdeckt das alte Filmmaterial von sich und seinem damals besten Freund Felix Kux und schaut sich alle Videos an. Doch auf dem letzten macht er eine unglaubliche Entdeckung und mit Gewalt dringt die Wahrheit zu ihm durch. Nun muss er unbedingt zu Felix, doch der hat längst kein Interesse mehr an seinem alten Freund …

 

Meinung

 

Endlich habe ich es geschafft einen Thriller von Bernhard Aichner zu lesen, von dem bereits mehrere auf meinem SUB lagern. Denn interessant klingen die Klappentexte allemal, versprechen sie doch Geschichten über dunkle Geheimnisse, kaltblütige Morde und hartherzige Menschen. Mit dem Titel „Bösland“ konnte ich zunächst wenig assoziieren, doch erklärt sich alles von selbst, wenn man erst mal in das Buch hineingelesen hat. In kurzen prägnanten Kapiteln entwirft der Autor die Geschichte eines schwer misshandelten Jungen, der nun im Erwachsenenalter versucht, sich mit seiner Vergangenheit auszusöhnen. Die gewählte Ich-Perspektive wirkt sehr persönlich und man spürt deutlich die seelischen Qualen, die der Protagonist erleidet. Denn „Bösland“ ist nicht unbedingt das Psychogramm eines Mörders, sondern auch der Hilfeschrei einer verletzten Seele, die nie gelernt hat, sich der Wahrheit zu stellen und Konsequenzen zu ziehen.

 

Die weitaus interessantere Figur ist jedoch Felix Kux, der nun in der Gegenwart ein äußerst erfolgreicher Unternehmer eines großen Pharmaziekonzerns ist und sich den lästigen Ben irgendwie vom Hals schaffen möchte. Dennoch teilt er bald sein großes Anwesen, seine knappe Freizeit und wenig später sogar seine Frau mit dem Jugendfreund. Und bei all der trauten Zweisamkeit geht es um nichts anderes als versteckte Machtspielchen und sorgsam bewahrte Lebenslügen. Ben und Felix beginnen ein mörderisches Spiel mit weiteren Opfern und einer der beiden wird dabei auf der Strecke bleiben, fragt sich nur wer den längeren Atem besitzt.

 

Das Buch hat einen hochspannenden Mittelteil, der mich sehr begeistert hat, fängt aber eher gemächlich an und flaut dann auch wieder ab, so dass das Spannungsniveau eher schwankend zu beurteilen ist. Auch das Seelenleben von Ben empfand ich stellenweise als hilflos, dann jedoch wieder entschlossen und zielgerichtet. Eine ambivalente Figur, die manchmal wie eine Marionette wirkt, dann wieder wie der perfekte Drahtzieher.

 

Fazit

 

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen unterhaltsamen Thriller, der weniger Gänsehaut verursacht, dafür aber die Thematik Schuld und Sühne intensiv behandelt und Psychopathen auch mal in einen anderen Kontext setzt. Als Leser ist man hier vor allem auf den Handlungsverlauf gespannt, denn man weiß sehr genau, wer der Held des Buches und wer der Antigonist ist. Sehr aufschlussreich ist auch der Ansatz bezüglich des Geldes und der Handlungsmöglichkeiten innerhalb einer Zweckgemeinschaft und die Auswirkungen von Erpressung und Manipulation. Trotzdem bleibt noch Luft nach oben. Das Ende hat mich etwas enttäuscht, schließt es zwar den Roman, nicht aber meine Gedankengänge folgerichtig ab. Deshalb werde ich gewiss noch ein zweites Buch des Autors lesen, um Vergleichswerte zu haben.