Rezension

Mysteriöses Leseerlebnis!

Das Institut - Stephen King

Das Institut
von Stephen King

Laut des Steckbriefs wurde der Autor bereits für sein humanistisches Wirken „gegen jedwede Art von Unterdrücken“ ausgezeichnet. Zwischenmenschliche Werte wie Freundschaft und Zusammenhalt thematisiert Stephen King in seinen Werken häufiger: So auch in seinem neu erschienenen, bereits seit mehreren Wochen auf den Bestsellerlisten thronenden Roman „Das Institut“. Kings Werke üben auf mich seit geraumer Zeit eine starke Faszination auf mich aus; so war ich auf das vorliegende Werk, dessen Klappentext Interesse hervorkitzelte, gespannt und meine Erwartungshaltung dementsprechend hoch. Wie mich die Lektüre letztendlich überzeugen konnte, erfährst du in der folgenden Rezension.

 

Unbestritten ist und bleibt, wie grandios der Autor komplexe Handlungen in gewaltigem Ausmaße entfalten kann. Er fügt  einzelne Facetten seines Szenarios geschickt zusammen, ohne jemals das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Dabei etabliert er unzählige, spannende Figuren und erzählt deren Hintergrundgeschichten ausführlich, ohne abzudriften oder vom ursprünglichen Weg abzukommen. So erhält der Leser ein umfassendes Bild und kann wahrhaftig in die Situation eintauchen. King baut eine dichte und beklemmende Atmosphäre innerhalb der Grenzen des Instituts mit seinen eigenen Werten und Regeln auf. Gegen Ende hin bündelt er die Spannung gekonnt, um bei seinem Publikum ein richtiges Showdown-Gefühl zu erzeugen.

 

Dabei gefällt mir besonders gut die Ausarbeitung der zentral bedeutsamen Kinder. Ein Großteil des Romans wird aus der Perspektive des zwölfjährigen Luke Ellis wiedergegeben, der zu jederzeit in der Lage ist, die Handlung auf seinen jungen Schultern zu tragen. Die Motive und Handlungsweisen erscheinen bis auf wenige Ausnahmen nachvollziehbar – nämlich die Momente, in denen er seinen eigenen Standpunkt aus einer Metaebene betrachtet und an Glaubwürdigkeit verliert: ganz nach dem Motto: „Ich bin ja eigentlich nur ein Kind; ich muss mir darüber keine Gedanken machen“. Die Interaktion unter den übrigen im Institut gefangengehaltenen Kindern hat mir, vor allem in der zweiten Hälfte des Buchs, sehr gut gefallen. Dass sie sich vollkommen vertrauen und aufeinander verlassen, dass sie als Einheit mit gemeinsamem Ziel, das sich gegen die Obrigkeit wendet, auftreten, verdeutlicht die Notwendigkeit von Kommunikation und Zusammenarbeit von Menschen in einer Gesellschaft gelungen.

 

Der Gewissenskonflikt, dem die tragenden Charaktere zunehmend ausgesetzt sind, lädt den Leser zu einer spannenden ethischen Fragestellung ein: Darf man utilitaristisch handeln – und: wenn ja, wie weit? Darf man das Interesse der größeren Zahl dem Leid einiger weniger vorziehen? Darf man wenige Menschen ihrer Würde berauben, um die Würde vieler zu sichern? Der Roman bezieht dabei eine klare Position, lässt aber Diskussionsebenen frei, indem er ebenfalls die Gesinnung der als Antagonisten deklarierten Figuren beleuchtet.

 

Was sich der Leser vielleicht vorher klarmachen muss, bevor er „Das Institut“ beginnt zu lesen, ist, dass der Roman nicht auf jede Frage, die er stellt, eine Antwort gibt. King erfordert hier von seinem Lesepublikum einiges an Geduld und Vorstellungskraft, indem er viel Freiraum für Interpretation lässt – das wird sicherlich nicht jedem gefallen.

 

Wenn wir zu den möglichen Schwächen des Buchs kommen, dann muss ich zugeben, dass meine Erwartungshaltung wahrscheinlich etwas zu hoch war. In Anbetracht der ansehnlichen, fast achthundert Seiten Buchlänge erscheint mir der Plot über weite Strecken doch zu konstruiert und glattgebügelt. Es fehlt oft an Überraschungen im Handlungsfortschritt; mehr noch, der Spannungsbogen entwickelt sich weitgehend genau auf die Art und Weise, wie man es als Leser schon früh erahnen konnte. Die Konflikte und Herausforderungen können zu einfach gelöst werden, sodass man nie an der Schaffenskraft der agierenden Personen zweifelt. Hier hätte ich mir den ein oder anderen Kniff oder Twist gewünscht, der noch etwas mehr Abwechslung in den Roman bringt.

 

Es fehlt die sonst für den Autor so charakteristische Härte. Er verzichtet grundlegend auf Schilderungen expliziter Gewalt oder besonders grausamer Bilder. Er verzettelt sich zu guter Letzt in ein für den Leser zwar versöhnliches, aber für King sehr abgeschmacktes und sentimentales Ende, das nicht jedermanns Sache ist. Letztendlich kann ich „Das Institut“ aber doch getrost jedem ans Herz legen, der Stephen King mag oder Lust auf eine spannende Mystery-Geschichte à la „Stranger Things“ hat. Denn trotz der wuchtigen Buchlänge fühlte ich mich jederzeit gut unterhalten.

 

„Das Institut“ ist ein weitgehend überzeugendes Werk mit interessantem Szenario, herausragender Figurenausarbeitung und einem buchstäblich explosiven Showdown.

 

Daher möchte ich gelungene vier von fünf möglichen Sternen vergeben.