Rezension

Nicht nur für Kunstliebhaber

Am Tag und in der Nacht - Camilla Macpherson

Am Tag und in der Nacht
von Camilla Macpherson

Bewertet mit 4 Sternen

Claire hat gerade ihr Kind verloren, weil sie an einer Londoner U-Bahnstation überfallen wurde. Als sie sich mit Rob treffen wollte und dieser noch ein Meeting hatte und sich nicht gemeldet hatte, dass es später würde. Ihre einst so glückliche Beziehung droht daran zu zerbrechen, zumal Claire ihm nicht verzeihen kann, ihn ständig beschimpft und verachtet.

Mitten in dieser Zeit kommt die Nachricht vom Tod seiner Großmutter Elizabeth, die in Kanada gelebt hat. Sie vermacht ihm ein Päckchen mit einem gerahmten Bild und Briefen, die sie von ihrer Freundin und Cousine Daisy 1943 bekommen hat, als diese in London und sie schon in Kanada war. Claire nimmt die Briefe an sich und liest sie - und erfährt so, dass die National Gallery während des zweiten Weltkriegs ihre Bilder zwar an sicheren Orten aufbewahrte, pro Monat ein Bild ausstellt. Daisy sieht dies als willkommene Abwechslung in einer Zeit, in der es sonst neben ihrer Arbeit als Stenotypistin nicht viel für sie gibt, da ihr Verlobter an der Front ist. Also beschreibt sie Elizabeth jeden Monat das aktuelle Bild und erzählt, was sich in ihrem Leben sonst so tut.

Claire schließt sich diesem Leben an, indem sie jeden Monat einen Brief liest und sich das dazugehörige Bild ansieht. Sie beginnt, Daisy als eine Art Freundin anzusehen - von ihren "richtigen" Freundinnen hat sie sich nach der Fehlgeburt mit der Zeit abgewandt. Doch der Lauf der Dinge zwingt sie, eine Entscheidung zu treffen - für oder gegen ein Leben mit Rob.

Das Buch setzt da an, als Claire den Schwangerschaftstest macht und sie und Rob überglücklich sind. Dann gibt es einen Bruch und man hat eine zerstörte Beziehung vor sich. Davon, wie es zu der Fehlgeburt kam, erfährt man erst im Laufe des ersten Buchteils. Daisys Briefe erscheinen wie eine Rettung für Claire, sie hat eine Aufgabe, etwas, worauf sie sich freuen kann - so sehr, dass sie sich manchmal schon arg in Daisys Leben und diese "Freundschaft" hineinsteigert.

Das Buch liest sich sehr flüssig, durch die zu Beginn jedes Kapitels abgedruckten Bilder kann man sich zunächst eigene Gedanken dazu machen, bevor man die von Daisy und dann die von Claire liest. Allerdings muss ich sagen, dass diese Gedanken manchmal sehr ausführlich sind. Dazu kommt, dass Claire gegen Ende des ersten Drittels so selbstgerecht ist und im Selbstmitleid versinkt, dass sie auf Dauer sehr anstrengend wird. Manchmal war ich schon fast froh, wenn sich eine Lesepause nahe legte. Mit dem Drehpunkt in der Geschichte bessert sich dies, wobei Claire auch danach ihre zeitweilig sehr romantische, fast kitschige Art nicht ablegen kann. In manchen Dingen wirken Daisys Ansichten fast moderner als die von Claire. Oder abgeklärter, je nach Blickpunkt.

Dennoch ist es ein Buch, das ich Kunstliebhabern und Fans von Romanen, in denen auch geschichtliches vorkommt, sehr empfehlen kann.