Rezension

Omnia vincit amor – oder doch nicht?

Die einzige Geschichte - Julian Barnes

Die einzige Geschichte
von Julian Barnes

Bewertet mit 3 Sternen

Warum habe ich mich für das Buch entschieden?
Ich fand vor allem die Leseprobe des Buches sehr vielversprechend, sie machte ich neugierig, was Paul so erleben wird.

Cover:
Mich hat irgendwie der durchgestrichene Text des Covers irritiert. Ich musste erst zweimal hinsehen, um zu kapieren, dass es identisch der gleiche Text ist nur nicht handgeschrieben. Ich finde es zwar schön, dass es nicht mit Bildern oder ähnlichem überladen ist, aber mir fehlte hinten der Klappentext (auch wenn das Zitat vom Buchbeginn sehr schön ist).

Inhalt:
»Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden, oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.«
Das ist der erste Satz im Buch und beschreibt wunderbar den Kern der Handlung. Paul ist mit seinen jungen 19 Jahren stolz, der Liebhaber der 30 Jahre älteren und verheirateten Susan zu sein. Leider bleibt nicht alles immer nur Sonnenschein.

Handlung und Thematik:
Die Handlung beginnt gemächlich aber dennoch nicht uninteressant. Im Mittelteil nimmt sie so richtig Fahrt auf. Im letzten Drittel ist leider nur noch wenig Neues dabei, sondern ein Großteil nur noch Wiederholungen und kritische Gedanken. Besonders im zweiten Drittel stellte Julian Barnes gut dar, dass man in der Liebe nicht immer nur profitiert und vor allem, dass es schwierige Zeiten geben kann. Es regte auf alle Fälle zum Denken an, dass nicht immer das kurzfristige Liebesvergnügen die gesamte Zukunft bestimmen sollte.

Charaktere:
Paul ist fast das ganze Buch über sehr naiv und jugendlich. Ohne an Konsequenzen zu denken setzt er immer nur seinen Willen durch. Als er im Mittelteil Opfer für Susan gebracht hat, hatte er kurz meine Anerkennung. Leider verlor sich das ganze wieder.
Susan passte gut zu Paul. Auch sie wirkte jugendlich und naiv, ja fast schon unreif für ihr Alter. Dadurch, dass Gordon ihr erster und einziger Mann war, war klar, dass sie nochmal etwas erleben musste. Leider wurde ich nicht wirklich warm mit ihr. Sie wirkte oft zornig und gefühlskalt.

Schreibstil:
Ich fand es großartig, wie das Buch begann! Das Buch begann in der ersten Person Singular, also direkt Pauls Ich-Perspektive, in der er sogar den Leser direkt ansprach. Man konnte sich super hineinversetzen und wurde mitgerissen. Ca. ab Seite 150 änderte sich der Erzählstil in die zweite Person Singular, was mich schon ein bisschen störte, da es besonders auffällig war und ich mich im Lesefluss gestört gefühlt habe. Ich konnte keine Verbindung mehr zu Paul empfinden, was es schwieriger machte, da mir der Charakter auch nicht so sympathisch war. Als dann im hinteren Drittel die Perspektive noch in die dritte Person Singular wechselte und auch die Handlung nur noch aus Wiederholungen und kritischen Gedanken dazu bestand, verging mein Lesevergnügen völlig. Ich hätte mir eine größere Ausarbeitung des Mittelteils gewünscht, das Ende hätte man kürzer fassen können. Was mir auf alle Fälle noch gut gefallen hat, waren die Metaphern und Umschreibungen, die der Autor stellenweise gewählt hat.

Persönliche Gesamtbewertung:
Ein nettes Buch mit einigen wundervollen Metaphern, aber das Ende fand ich anstrengend. Es ging nicht um die typische Liebesgeschichte „Und sie lebten glücklich bis in alle Zeit“, sondern eher um eine wahre Geschichte, die sich bei unseren Großeltern abspielen hätte können. Julian Barnes regte durch die kritischen Elemente sehr zum Denken an. Leseempfehlung, die genug von seichten Liebesschnulzen haben und mit der dritten Person Singular leben können ;-)