Rezension

Packender Thriller, der nachwirkt

Als Gott schlief - Jennifer B. Wind

Als Gott schlief
von Jennifer B. Wind

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch beginnt wie ein ganz normaler Thriller / Krimi. Jutta, die ermittelnde Beamtin, ist direkt betroffen, denn ihr Mann wurde niedergestochen. Zeitsprung. Eine Leiche wird gefunden. Hier muss ich der Autorin für ihre krasse Fantasie Anerkennung aussprechen. Zuerst dachte ich - meine Güte, wie kommt man nur auf so was? Im weiteren Verlauf des Thrillers wird klar, dass die Perversität des Mörders eine Ursache hat, die viele  Jahre zurückliegt. Und das ist für mich das wirklich Schreckliche an der Geschichte: was damals geschah, hat Jennifer B. Wind sich nicht ausgedacht! Es ist wirklich passiert, an anderem Ort zwar, doch an vielen Orten. Wenn einem das klar wird, ist man fast geneigt, dem Mörder Entkommen zu wünschen.

Besonders gefallen haben mir die Figuren in dem Buch. Sie sind sehr facettenreich, haben ihr guten und schlechten Seiten. Jutta ist psychisch schwer angeschlagen, doch sie kämpft. Als sie zusammenbricht, hat sie Freunde, die ihr helfen. Die tiefe Menschlichkeit, die darin zum Ausdruck kommt, steht in krassem Gegensatz zur Unmenschlichkeit, die wie immer wieder in den Rückblenden lesen und deren beinahe logische Konsequenz die bestialischen Morde sind. Doch auch die Opfer sind nicht alle gleich. Ich möchte nicht zuviel verraten, aber gerade die unterschiedliche Art der Täterschaft in der Vergangenheit macht mich nachdenklich. Es ist einfach, den zu verurteilen, der etwas Grausames getan hat. Doch was ist mit denen, die davon wissen und es zulassen? Sind sie nicht genauso schuldig? Weil sie es hätten verhindern können und nichts getan haben? Wie kann ein Mensch Gutes wollen und Böses zulassen? Und mit dieser Schuld weiterleben? Wie können Menschen, die Kenntnis davon erhalten haben, schweigen, "um des lieben Friedens willen"?

Die Autorin gibt die Antwort darauf, indem sie jeden der Beteiligten unterschiedlich mit seiner Schuld umgehen lässt. Nur eine Frage muss sich jeder Leser selbst beantworten: Was würde ich tun, wenn ich Kenntnis von derart schrecklichen Taten bekäme?

Die Frage, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, ist schwieriger zu beantworten: Schlief Gott wirklich? Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort, denn das ist die "Gretchenfrage".

Trotz all der Düsternis der Ereignisse gibt es auch Szenen und Menschen, die Hoffnung machen, dass die Welt doch nicht so schlecht ist. Juttas Kollegen und ihre Hilfsbereitschaft (s.o.). Den Bücherfreund in Berlin (OT: in der Wohnung dürfte man mich gern einquartieren) Oder auch die Andeutung einer Romanze, die einer der Gründe ist, warum ich hoffe, dass es einen zweiten Teil geben wird. Und natürlich darf in einem Buch von J.B.W. eine Orchidee nicht fehlen ;-)