Rezension

Realistisch aufgebaute, mitreißende High Fantasy Story mit sehr vielschichtigen Protagonisten und einer sich langsam entwickelnden Liebesgeschichte!

Der Kuss des Kjer - Lynn Raven

Der Kuss des Kjer
von Lynn Raven

Bewertet mit 5 Sternen

Die Autorin neigt zwar zu ausschweifenderen Beschreibungen (was ja schlicht Geschmackssache ist), richtige Längen treten trotz der hohen Seitenzahl aber nicht auf. Im Gegenteil, das Buch ist von einer hohen Spannung geprägt, die beispielsweise durch Andeutungen aber auch der Handlung selbst begründet ist.
Diese wird hauptsächlich aus Lijanas', nicht allzu selten aber auch aus Mordans Sicht erzählt. Hier entsteht dann auch mein einziger Kritikpunkt: Ein paar Mal wechselt die Autorin mitten im Absatz die Sicht, was mich ein wenig verwirrt hat. Ansonsten stellten die Sichtwechsel aber kein Problem dar und die verschiedenen Sichten einen besseren Ausbau der Charaktertiefe ermöglichten sowie den Unterhaltungswert steigerten. Zwischenzeitlich gibt es auch kleine Absätze aus der Sicht anderer Personen, nicht immer wird dabei deutlich, um wen es sich handelt. Das lädt zum eigenen Mitraten und Mitfiebern ein und steigert außerdem nochmal die Spannung.

Der fesselnde Schreibstil riss mich mit in eine fremde Welt und es fiel mir wirklich schwer, mich von der Geschichte loszureißen. Die 600 Seiten flogen nahezu vorbei.
Was die Welt angeht, so erfährt man zwar etwas über die Kulturen und die Geschichte der beiden Völker, hier beschränkt sich die Autorin aber auf das Wichtigste, sodass Langatmigkeit gar nicht erst entstehen kann. Fremde Begriffe werden hier auch nur in Maßen verwendet, es entsteht so keine Verwirrung. Auch die Vorurteile und Unterschiede der Völker sowie die Feindschaft sind realistisch und durchdacht.

Lijanas ist eine realistische Protagonistin. Sie bietet Mordan die Stirn, sie versucht dauernd zu fliehen, sie hat ihren eigenen Willen ... Aber gleichzeitig zeigt sie auch Schwäche und man merkt eben, dass sie keine Kriegerin ist, sondern eine einfache, junge Heilerin, die mit Sicherheit nicht auf eine solche Situation vorbereitet war und sich für die Verhältnisse schon als sehr stark zeigt. Und genau dieser Charakteraufbau macht sie aus und ist authentisch.
Sie ist also auch ein ziemlich vielschichtiger Charakter. Einerseits durchaus verletzlich und verängstigt und manchmal auch ein wenig naiv (nicht auf eine nervige sondern auf eine süße Weise), andererseits aber auch stark, eigenwillig und eine Frau, die sich nicht unterkriegen lässt.

Mordan gilt als grausamer Krieger und der beste seines Volkes. Er verhält er sich Lijanas gegenüber kalt, ja, manchmal fast schon brutal, allein sein Blick bringt andere zum Schweigen. Gleichzeitig erhascht der Leser aber auch immer wieder einen Blick in seine Sichtweise und merkt, dass sich dahinter noch etwas anderes verbirgt ... Etwas, dass auch Lijanas nicht kalt lässt ...
Sein Charakter ist sehr vielschichtig und tiefgründig. Zum Einen wäre da seine äußerst faszinierende Vergangenheit. Dann wären da noch die verschiedenen Facetten seiner Persönlichkeit ... Es ist schon ein gewisses Kunststück von einem Charakteraufbau, wenn ein brutaler Krieger mehr als sympathisch wirkt. (Und ein Spielen mit dem Begriff von Gut und Böse.)

Der Fokus liegt auf Lijanas und Mordan, dahinter bleiben die anderen Charaktere leider teilweise ein wenig blass, auch wenn sie alle größeres Potenzial haben - man kann eben nicht alles haben. ^^
Ansonsten enthält die Handlung sowohl Actionszenen als auch romantischere Szenen. Auch den Aufbau der Liebesgeschichte fand ich gelungen, da diese sich vergleichsweise langsam und nachvollziehbar entwickelt. Zwar ist die Love Story immer wieder von Konflikten und Hürden geprägt, die sich aber aus den Umständen ergeben und nicht soapmäßig ausgeweitet werden.