Rezension

Schwedisches Roanoke

Das Dorf der toten Seelen - Camilla Sten

Das Dorf der toten Seelen
von Camilla Sten

Ich hatte erneut Glück und durfte dieses Buch schon vor Veröffentlichung lesen.

Ich habe mich echt wahnsinnig darüber gefreut, denn das Cover und der Klappentext, sowie eigentlich bereits der Titel an sich versprachen absolutes Highlight-Potenzial. Sowas ist ja wirklich genau mein Ding! Von Stranger Things merkte ich allerdings gar nichts, auch ist es kein Krimi, eher ein Mystery-Roman, ein Roanoke-Feeling kam aber auf.

 

Wir begleiten Alice und ihr 4-köpfiges Team nach Silvertjärn, einer geheimnisvollen Gemeinde, in der 60 Jahre zuvaor alle Einwohner plötzlich verschwunden sind. Sie wollen dort filmen, um über ein Crowdfunding-Projekt mehr Geld einzunehmen, um eine komplette Dokumentation darüber drehen zu können. Die Hintergrundstory scheint sehr von der Kolonie Roanoke inspiriert worden zu sein – Die verschwand Ende des 16. Jahrhunderts ebenfalls spurlos und bis heute konnte nicht allumfassend geklärt werden, was mit ihnen passiert ist. Das fand ich sehr interessant.

Parallel begleiten wir Elsa in den „Damals“-Kapiteln zu genau dieser Zeit und können so als Leser als einzige Personen die komplette Wahrheit über Silvertjärn und das Verschwinden der Gemeinde erfahren. Auch da bin ich mir sicher, dass die Autorin sich von bekannten Menschen hat inspirieren lassen, aber ich kann euch leider kein Beispiel nennen, das könnte sonst schon etwas zu viel verraten, da es sich erst im Laufe des Buches offenbart. Mir hat das leider nicht so gut gefallen, aber das Thema ist leider eigentlich eh ein No-Go-Thema, mit dem ich eigentlich nichts zu tun haben möchte. (Ich denke, ich spoilere nicht sonderlich, wenn ich darauf hinweise, dass Religion dort ein Thema sein wird – ob nur angerissen oder vertieft, dazu sage ich nichts; dass ich das hier erwähne, hat auch allerdings kein großes Gewicht darüber, denn ich mag es schon nicht, wenn das Thema auch nur ansatzweise angeschnitten wird, schon einen gläubigen Nebencharakter finde ich absolut unnötig)

 

Leider konnte mich das Buch nicht vollends überzeugen. Die Charaktere blieben für mich absolut blass, bekamen kaum Tiefe. Viel zu viele bedeutungsschwangere Andeutungen, dessen Auflösungen dann irgendwie nur so plätscherten. Der Schreibstil liest sich äußerst flüssig und auch die sehr kurzen Kapitel, jeweils in Heute und Damals unterteilt, halten dazu an, „nur noch schnell mal ein Kapitel“ zu lesen, woraus dann gerne 10 oder mehr wurden :D Das Buch habe ich in nicht einmal 3 Tagen gelesen – meine eBook-Ausgabe hatte allerdings laut tolino-App auch nur 333 Seiten, statt die wie überall angegebenen 448 Seiten. Ich weiß nicht, ob die Information einfach fehlerhaft ist oder ob ich irgendwie eine „komische“ Ausgabe hatte. Gekürzt oder so kam mir allerdings nichts vor.

 

Beide Zeiten sind im Präsens geschrieben – Ich persönlich hätte es besser gefunden, das „Heute“ im Präsens zu lassen und das „Damals“ ins Präteritum zu setzen. Allerdings tauscht Camilla Sten immerhin die Perspektiven, um die Abgrenzung nochmal etwas zu verdeutlichen. In der „Heute“-Zeit spricht/schreibt Alice selbst über das Geschehen, in den „Damals“-Kapiteln setzt die Autorin auf die dritte Person, der Fokus liegt dennoch deutlich bei Elsa. Der Schreibstil selbst liest sich ungemein flüssig und man fliegt nur so durch die Seiten.

 

Nach und nach decken wir die persönlichen Verbindungen der Filmcrew mit Silvertjärn oder auch den anderen Mitgliedern auf und merken so, dass eigentlich jeder so seine ganz persönlichen Gründe dafür hat, sich der Crew angeschlossen zu haben. Wie oben schon erwähnt, fehlt mir leider irgendwie die besondere Tiefe. Es wurde zwar auf ein paar wenige Charaktere mehr eingegangen, aber irgendwie blieben sie trotzdessen für mich einfach nur blass. Schade.

Auch die Geschichte plätschert irgendwie vor sich hin. Es gab allerdings tatsächlich zwei, drei Stellen, an denen ich mich leicht gegruselt habe, und das passiert mir nicht so häufig. Nur leider war das immer wieder schnell vorbei und man dümpelte so irgendwie mit der Crew mit, auch wenn eigentlich schon recht viel passierte, aber irgendwie…

Die Wendung fand ich teilweise zu überzogen. Die Auflösung in der „Heute“-Zeit fand ich mehr als dürftig, nahezu unrealistisch, und es blieb irgendwie nur ein „Äh… Ok“-Gefühl zurück. Die Ereignisse im „Damals“ spalten mich entzwei, einerseits kann ich mit den religiösen Teilen davon nichts anfangen, andererseits wird der Rest sehr gut rübergebracht, weswegen es mich dann doch nicht so sehr störte und auch irgendwie passte. Die Auflösung, was damals passiert ist, hingegen gefiel mir gut. Ein paar mehr Informationen hätte ich mir gewünscht, aber da wir die Geschehnisse aus Elsas Perspektive betrachten und auch sie nicht alles wusste, war das schon okay so.

Das Buch ist jetzt keinesfalls schlecht, ich habe aber leider deutlich mehr erwartet und beendete das Buch eher mit einem enttäuschten Gefühl. Allerdings ist besonders die eBook-Ausgabe überhaupt nicht teuer und auch die Papier-Ausgabe sehr human, weshalb ich trotzdem empfehlen kann, das Buch zu lesen, wenn einem Klappentext, etc. anspricht.