Rezension

Seltsame Vorstellung

Das Buch Ana - Sue Monk Kidd

Das Buch Ana
von Sue Monk Kidd

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als Mensch, der christlich erzogen wurde, ist es eine seltsame Vorstellung für mich: Jesus als verheirateter Mann. Für uns war er ja eher geschlechtslos.

Aber Sue Monk Kidd hat über diese Vorstellung ein ganz wunderbares Buch geschrieben, das diese Fiktion auf sehr feine und diskrete Art behandelt.

Ana wächst in einem gebildeten Haushalt auf, lernt sogar gegen den Willen ihrer Mutter Schreiben und Lesen, unterstützt wird sie darin von ihrer Tante. Sie soll an einen alten Witwer verheiratet werden und das Schreiben aufgeben, doch sie versteckt ihre Schriften in einer Höhle. Dort begegnet sie Jesus, einem frommen Zimmermann und Steinmetz und die beiden verlieben sich. Nachdem Anas Verlobter vor der Heirat gestorben ist, setzt sie durch, dass sie Jesus heiraten darf. Für ihn gibt sie alles auf und zieht mit ihm zu seiner Familie nach Nazareth. Als Johannes der Täufer Jünger um sich schart, fühlt auch Jesus sich berufen ihm zu folgen. Ana muss dagegen nach Alexandrien fliehen, weil Herodes Antipas sie gefangennehmen lassen will. Auf dem Weg zur Kreuzigung begegnet sie ihrem Mann zum letzten Mal.

Ana ist eine ganz bemerkenswert kluge Frau, sie beschäftigt sich trotz aller Schwierigkeiten mit den großen Fragen des Lebens und lässt sich nicht von ihrem Weg abbringen. Sie bleibt auch in ihrer Ehe ein eigenständig denkendes Wesen und ist Jesus einen starke und ebenbürtige Partnerin.

Es ist sehr geschickt von Monk Kidd, dass Ana während der Zeit, in der Jesus durch das Land zieht und predigt, in Ägypten ist, denn damit vermeidet sie viele Fallstricke, die man ihr als religiöser Mensch eventuell zum Vorwurf machen könnte. Auch das "Problem" der Auferstehung umgeht sie sehr raffiniert.

Mir hat es sehr gut gefallen zu lesen, dass Frauen auch in der jüdischen und ägyptischen Tradition gelehrt waren und sich dort eine Nische gesucht haben, in der sie Sophia, die Weisheit, verehren konnten. 

Man weiß ja inzwischen, dass viele kluge Frauen in den ursprünglichen Schriften des Christentums vorkamen, sie aber später von den Männern entweder getilgt oder zu Männern umbenannt wurden. Und die katholische Kirche hat heute noch ein Problem mit klugen Frauen...

Ich fand das Buch insgesamt sehr gut zu lesen und es regt zum Nachdenken an.