Rezension

spannend, facetternreich, emotional

Anima - Kim Kestner

Anima
von Kim Kestner

Bewertet mit 5 Sternen

Acadia ruft! Abby und ihre Familie sind auf dem Weg in die Ferien. Im liebgewonnenen Park kann man die Seele baumeln lassen, ausgedehnte Wandertouren machen, den Wellen zuschauen, wie sie an die Küste rollen oder alte Bekannte treffen, die, genau wie Familie West, jedes Jahr wieder kommen. Noch dazu steht Abbys 18. Geburtstag an, der Sommer könnte also kaum schöner werden. Doch dieses Mal ist vieles anders in Acadia. Ein Illusionist soll für Unterhaltung sorgen und wirbelt die Besucher, im wahrsten Sinne des Wortes, ganz schön durcheinander.

Eine dunkle Macht ergreift besitzt von den Leuten und niemand scheint es aufhalten zu können. Ärger, Frust, Hass, Wut, Neid, alle dunklen Gefühle werden hervorgerufen und lassen die Menschen ihre Werte und Moral vergessen. Ein ganzer Nationalpark außer Rand und Band. Alle sind betroffen, – alle bis auf Abby.

 

Autorin Kim Kestner hat mich bereits auf den ersten Buchseiten gepackt und dann mitgenommen auf eine abenteuerliche Reise. Durch die liebevollen, detaillierten Beschreibungen wird die Welt lebendig. Trotz der Ortswechsel findet man sich schnell zurecht, man bekommt einen guten Überblick und hat das Gefühl, hautnah dabei zu sein und durch Abbys Augen sehen zu können. So erlebt man die Umgebung mit all ihren Facetten und Besonderheiten.

Auch die Emotionen sind wundervoll dargestellt. Zwischen Juspinn und Abby ist eine unglaubliche Anziehungskraft, begleitet von einem Knistern, Begierde, Unsicherheit, Verzweiflung und einer unstillbaren Hoffnung. Im Verlauf der Geschichte fahren die Gefühle Achterbahn, ohne Notbremse. Die beiden Protagonisten müssen in sich hinein hören, über sich hinaus wachsen und entscheiden, ob sie bereit sind, dem anderen eine Tür in der Schutzmauer zu öffnen.

 

Abby ist wie ein kleiner Engel auf Erden. Ihre Seele ist rein und unschuldig, sie hilft den anderen, stellt die eigenen Wünsche zurück, fällt nicht negativ auf und erträgt fast wortlos die gemeinen Sticheleien von ihrer Schwester Virginia. Und trotzdem oder gerade deswegen gerät sie in die Fänge des Bösen.

Ihre Veränderung ist im Laufe des Buches deutlich spürbar. Besonders durch die Ich-Perspektive erlebt man intensiv mit, wie sich ihr Denken und Fühlen wandelt, was an Bedeutung gewinnt und was an Ansehen verliert, wieso sie zweifelt, was sie antreibt und bewegt. Abby muss einen harten, steinigen Weg bestreiten, auf dem es Hürden und Hindernisse gibt, von denen sie selbst wohl nicht erwartet hätte, dass sie einmal auf sie zukommen.

Juspinn hingegen ist nicht so leicht zu durchschauen. Er ist geheimnisvoll und düster, unnahbar, manchmal wortkarg und kühl, teilweise scheint es, als würde er die normalsten Dinge nicht kennen, dann aber zeigt er, wie weltgewandt und gut informiert er ist. Nach und nach bekommt man einen Eindruck von seinem facettenreichen Charakter, der so viel mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick erkennen kann. Auch von ihm gibt es zwischendurch kleine Einschübe in der Ich-Perspektive, die sehr aufschlussreich sind und einen Eindruck von seinem Innenleben vermitteln. Manchmal habe ich mich geärgert, dass es so wenige sind, gleichzeitig erhöht es aber auch die Spannung und die geheimnisvolle Stimmung der Geschichte.

 

Bereits auf dem wunderschönen Cover ist es erkennbar: Schwarz und Weiß bzw. Gut und Böse spielen eine zentrale Rolle im Buch. Im Laufe der Geschichte werden unterschiedliche Fragen dazu aufgeworfen, die einen zum Nachdenken bringen. Was ist gut, was ist böse, braucht man nur eines oder doch gar beides, wie bedingt es sich, ist es nicht vielleicht sogar nützlich, dass es beide Seiten gibt. Und obwohl schnell klar wird, dass es mehr als nur Weiß und Schwarz gibt und besonders die ganzen Zwischentöne so interessant sind, grübelt man zwischendurch über verschiedene Dinge nach. Sehr viel Raum zum Durchatmen und Nachdenken lässt einem die Handlung allerdings nicht. Es ist durchweg spannend und wird zunehmend temporeicher. Durch überraschende Wendungen verändert sich die Situation, in der sich die Protagonisten befinden und man muss sich neu orientieren, weitere Dinge in Betracht ziehen und viele der bisherigen Gedanken über den Haufen werfen. Immer wieder wird es sehr emotional und man möchte den Figuren am liebsten die Hand reichen, etwas Kraft und Trost spenden.

 

Eine tolle, abwechslungsreiche Geschichte, die nicht nur spannend, emotional und facettenreich ist, sondern einen gleichzeitig auch zum Nachdenken bringt.

 

Vielen Dank an den Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar im Rahmen der Leserunde!