Rezension

Ungenutztes Potential

Die Träumenden - Karen Thompson Walker

Die Träumenden
von Karen Thompson Walker

Bewertet mit 3 Sternen

Es geht um Santa Lora, einer Stadt im Westen der USA, in dem Spektakuläres geschieht: Menschen schlafen ein, ohne am nächsten Tag wieder aufzuwachen. Keiner schafft es, sie aufzuwecken oder das Rätsel um die bald als „Santa Lora Krankheit“ bekanntwerdende Epidemie zu lösen. Rapide stecken sich weitere Bürger an, die Situation in der Kleinstadt wirkt ausweglos.

 

Was sich während des Lesens wie eine Mischung aus Kings „Die Arena“ (Serie: Under the Dome) und dem Film „Outbreak – Lautlose Killer“ anfühlte, stellt sich letztlich als Roman heraus, der mit einer kreativen Idee punkten kann, die den Glanz verliert, sobald haufenweise Sichtweisen eingeführt werden und der Leser keinerlei Verbindung zu einer Person aufbauen kann.

 

Das Haupt“problem“ des Romans liegt in den vielen Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird. Man blickt durch die Augen eines Familienvaters, aber auch seiner Frau; zwei Kindern, aber AUCH deren Vater, sowie einer Collegestudentin und ihrem Freund. Dazu kommen noch viel mehr Blickwinkel, die nichts zur Geschichte beitragen oder mein Einfühlungsvermögen beansprucht haben. Der Wechsel zwischen den Kapiteln – manchmal sogar innerhalb der Kapitel – liefert einem den allwissenden, distanzierten Standpunkt. Man ist der Hubschrauber, der über den Bürgern schwebt und dem es schnell bei einer Person zu langweilig ist, sodass er zum nächsten Haus fliegt, für mehr Spektakel, Aufregung und wahrscheinlich einem weiteren Ansteckungsfall. Mit dieser Methode wird man schnell aus einer Situation herausgerissen und in eine neue geworfen. Ob der Fokus auf einem oder zwei Charakter (en) die Geschehnisse in Santa Lora gleichwertig dargestellt hätten sei dahingestellt, jedoch riefe es mehr Mitgefühl, sowie Verständnis hervor und betont den Ernst der Lage. Für mich fühlte sich es eher wie ein Bericht an als eine Geschichte, die mir wichtig war und etwas bei mir hervorrief. Die Autorin hat mit ihrer Entscheidung eine Richtung eingeschlagen, die keinesfalls minderwertig ist, jedoch bringt diese einige Abstriche mit sich, die sie zu treffen entschied.

 

Ein Augenmerk von Thompson Walker lag darauf, Handlungsfragmente vorwegzunehmen. Sie entwirft Bilder der Zukunft, die in einem oder zwei Sätzen kurz angerissen werden, um diese Vorahnung danach erfüllen zu lassen oder komplett zu verwerfen. Dabei wird dem Leser die Anspannung genommen, was mit den betroffenen Charakteren passieren könne, wie und wo ihr Weg endet.

 

In den letzten Kapiteln des Buches hätte die Autorin ein außergewöhnliches Ende schreiben können, welches mich atemlos zurückgelassen hätte. Dann würde ich dieses Buch nun womöglich nicht als gut, durchschnittlich oder belanglos ansehen. Stattdessen fährt sie die philosophische, ruhige und nachdenkliche Schiene, die selbstverständlich auch bedeutend dargestellt werden und mich zum Nachdenken anregen könnte. Leider war am Ende dann aber vollständig die Luft raus, Thompson Walker wollte einen abgerundeten Schluss schaffen, der der Geschichte im Ganzen gerecht wird. Das macht das Buch leider nicht besonders oder großartig beachtenswert.

 

„Die Träumenden“ von Karen Thompson Walker ist ein ansehnliches Geschenk, dessen Verpackung glänzend und auffallend ist. Sobald man es freudig öffnet, erwartet den Leser jedoch nur ein solides, größtenteils zufriedenstellendes Präsent, bei dem man die Mundwinkel gezwungen hochzieht und vorgibt, sich zu freuen. Es ist nicht das, was ich erwartet habe, aber mittelmäßig und das Buch, welches in jüngster Zeit am ehesten den nichtssagenden Stempel „gut“ verleiht bekommen würde.