Rezension

Unterhaltsamer Bericht einer pfiffigen Neugeborenen mit allerdings gewöhnungsbedürftigem Humor

Fuck the Möhrchen - Barbara Ruscher

Fuck the Möhrchen
von Barbara Ruscher

Bewertet mit 3 Sternen

Zum Inhalt:

„Ich bin dann mal da“, verkündet Mia, nachdem sie sich endlich durch den Geburtskanal gequetscht hat. Spontan entbrennt sie in Liebe zu ihren Eltern Heike und Chris und in glühendem Hass zu ihrer Hebamme Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter. Neugierig saugt die Kleine alle neuen Eindrücke in sich auf, muss jedoch schnell frustriert feststellen, dass die doofen Erwachsenen kein Wort von ihr verstehen! Dabei könnte Mia dank frühkindlicher Förderung im Mutterbauch pausenlos über Kunst und Kultur parlieren. Doch nur Mamas oller Teddybär, der ihr ungefragt in die Wiege gelegt wurde, sowie andere Babies können als Gesprächspartner dienen. Noch dazu kann Mia nichtmal sitzen oder laufen und muss alles Schritt für Schritt erlernen. Wie anstrengend! Da ist es nicht gerade hilfreich, dass jetzt auch noch zwischen Mama und Papa ein handfester Ehekrach ausbricht! Aber wenigstens gibt es da noch den feschen Sören-Wotan, gleichaltriger Spielgefährte – und Mias Zukünftiger, da ist sie sich ganz sicher.

Meine Meinung:

In „Fuck the Möhrchen“, dem Debütroman der Kabarettistin Barbara Rauscher, erleben wir das erste Jahr der neugeborenen Mia. Das Buch ist aus ihrer Sicht geschrieben, aber wir haben es nicht mit einem kleinen, putzigen, unschuldigen Neugeborenen zu tun, das unwissend und unschuldig die neue Welt erkundet, sondern mit einer selbstbewussten Dame, denn Mia ist in allen Dingen sehr bewandert, man möchte fast sagen, sie ist ein kleiner Klugscheißer. Sie schwadroniert über moderne Kunst, kennt sich in der Promiwelt aus und liebt den Gebrauch von Fremdwörtern. Da passt der besserwisserische Teddy, der nicht nur bereits im Dienste von Mias Mutter und Großmutter stand, sondern auch offen zu seiner Homosexualität steht und stets auf der Suche nach Sexualpartnern ist, wie die Faust aufs Auge. Nur ihr Körper gehorcht Mia leider nicht, und so muss auch sie wie alle anderen Babies auch die einfachsten Dinge erst von der Pike auf lernen, was natürlich für so ein kleines Genie sehr frustrierend ist, während ihre Eltern meist viel zu begriffsstutzig sind, um zu verstehen, was sie möchte.  

Die Erwachsenenwelt wird von Mia scharf beobachtet, und hier treiben sich skurille Objekte herum. Herrlich ist die bärbeißige, ständig brüllende Hebamme Gudrun-Rudolf-Steiner Wiebkötter, vor der Mia und ihre Eltern mehr als Respekt haben. Außerdem macht es Spaß, den Schlagabtäuschen zwischen Mias Eltern und dem befreundeten Paar Bettina und Marlon zu folgen, denn Letztere sind leidenschaftliche Verfechter der „Unser Kind ist hochbegabt, unser Kind kann schon dies und das“-Eltern-Fraktion. Natürlich dürfen die ganzen ökologisch und pädagogisch korrekten Ernährungs- und Erziehungskonzepte nicht unerwähnt bleiben, die hier mit einem Augenzwinkern aufs Korn genommen werden.

Der Humor ist schon sehr gewöhnungsbedürftig. Hier wird nicht nur mit Übertreibungen gearbeitet, hier werden auch die Übertreibungen übertrieben. Diesen Humor muss man mögen, ganz klar. Ansonsten bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Ich habe über viele Szenen doch sehr geschmunzelt, und es ist wirklich schwierig, mich beim Lesen zum Lachen zu brachen. Dieses Buch hat es geschafft, das ist ja schonmal gut.

Aber auf Dauer fand ich es streckenweise doch auch anstrengend. Manche Sachen sind einfach extrem schräg, teilweise auch eklig (Z. B. wenn Mias Mama, eine Künstlerin, Mias Körperausscheidungen zu Ausstellungszwecken sammelt.) oder sexistisch (Z. B. wenn Mia und Teddy über Papas Pornohefte philosophieren.). Und manche Diskussionen zwischen Mia und Teddy oder ihren Freunden sind einfach nur noch so schräg, so dass ich mir beim Lesen nur dachte: „Hä?!“ und mich gefragt habe, ob die Autorin ab und zu vor dem Schreiben ein bisschen geschöppelt hat, um die Laune zu heben. Diese Stellen empfand ich als sehr anstrengend und nicht wirklich lustig.

Hier mal ein Beispiel für den Humor der Autorin. Diese Szene spielt sich im Pekip-Kurs ab:

>>> Levke-Fee will scheinbar meine Freundin werden und puschert auf das Laminat und die ausgelegten Kirschkernkissen.
Hier lernt man wirklich >Loslassen<.
Mama und Wiebke gucken zerknirscht, und wir erwarten Bestrafung, irgend so was wie Nach-Liegen oder eine Strafarbeit an der Motorik-Schleife, aber Aloe-Vera bringt ihre Gliedmaßen in Feng-Shui-Stellung und lächelt gütiger als Maria Schell nach zwanzig Eierlikör. Fröhlich nimmt sie einen bei Vollmond gebatikten Baumwolllappen, auf dem gestickte Yin und Yangs auf Friedenstauben durch Tschechien flattern und wischt Levke-Fees Ursuppe auf, als wäre es der letzte Fußschweiß von Maria Montessori oder die Salbengrundlage eines neuen Weleda-Produkts.
Sören-Wotan grinst und flüstert: >>Babypipi freut den Hippie.<< (S. 81) <<<

Dieser Humorlevel wird konstant gehalten oder sogar noch gesteigert. Man könnte sagen, das ganze Buch ist eine einzige Explosion von Metaphern, die teilweise gelungen, aber teilweise auch völlig übertrieben und ermüdend sind.

Es gibt aber auch süße Moment, wenn Mia ihre Eltern anhimmelt und einfach nur dafür liebt, dass sie ihre Eltern sind, schräg aber liebevoll. Oder wenn Mia und Sören-Wotan miteinander flirten, denn Mia ist fest davon überzeugt, dass Sören der Mann fürs Leben ist.

Ich persönlich habe kein Kind und weiß nicht, ob Eltern das Buch anders aufnehmen als Nicht-Eltern. Ich fand es sehr lustig, dass dieses ganze ökologisch und pädagogisch wertvolle und meist übertriebene Getue mancher Eltern hier ein bisschen veräppelt und indirekt kritisiert wird, vielleicht fühlen sich manche Eltern ja aber dadurch auf den Schlips getreten.

Alles in Allem ist „Fuck the Möhrchen“ nette Unterhaltung für jedermann, aber ich empfehle doch sehr den Blick in eine Leseprobe, um festzustellen, ob man mit Barbara Rauschers Humor klarkommt.