Rezension

Verschenktes Potential

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst - Astrid Korten

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst
von Astrid Korten

Pro:
Die Autorin hat durchaus originelle Ideen. Das Buch begleitet den Leser durch viele Jahre, zeigt ihm eine Menge verschiedenster Charaktere und führt ihn sogar in exotische Länder.

Die Geschichte hat an sich ein großes Spannungspotential. Sie ist interessant, und vieles wurde von der Autorin eindeutig gut und detailliert recherchiert, wie z.B. die Drogen, die der Täter benutzt, um das Leiden seiner Opfer zu vergrößern, oder die religiösen Riten verschiedener Stämme im Amazonas-Gebiet. Leider ging dieses Spannungspotential für mich oft verloren - siehe "Kontra".

Der Schreibstil liest sich flüssig und unterhaltsam, und trotz aller Probleme, die ich mit dem Buch hatte, hatte ich es schnell durch.

Kontra:
Schon auf den ersten paar Seiten erfährt der Leser im Prinzip, warum der Mörder mordet. Das hat der Geschichte für mich viel an Spannung genommen, denn ausgerechnet der Mörder ist damit kein wirkliches Mysterium mehr. Überhaupt wird dem Leser viel vorgekaut und auf dem Präsentierteller vorgehalten - da fehlte mir einfach das Gefühl, selber das Rätsel zu entdecken und zu lösen. Und gegen Ende wird auch die Identität des Mörder dann jäh enthüllt, das ging mir einfach zu plötzlich. Trommelwirbel, Mörder, Ende.

Manchmal hatte ich den Eindruck, dass vieles nur deswegen passiert, damit die Geschichte schockierender wird. Zum Beispiel spielt die masochistische Nonne eigentlich keine große Rolle für die Handlung - und deswegen hat sie mich nicht wirklich interessiert. Die Taten des Mörders werden zunehmend grausamer und abartiger: Nekrophilie, Schändung einer schwangeren Frau, Folter... Das war mir persönlich zu viel und hat mich gerade deswegen eben nicht mehr geschockt.

Der Fokus der Geschichte, die Personen und die Zeit wechseln oft jäh. Mich hat das eher ein wenig ratlos zurückgelassen - für mich fehlte es der Geschichte deutlich an Struktur. Manche Dinger verlaufen einfach um Sand, und Charaktere treten plötzlich in den Hintergrund oder verschwinden ganz.

Die Charaktere kamen mir in ihrem Verhalten nicht konsistent und konsequent beschrieben vor, und vielleicht konnte ich auch dadurch mit den meisten nicht warm werden. Die weiblichen Charaktere waren mir zum Teil zu perfekt und engelsgleich - natürlich ist diese scheinbare Perfektion und Tugend, was den Mörder anspricht, aber dennoch hätte ich gerne mehr über die Frauen erfahren, was sie dreidimensionaler und lebensechter gemacht hätte.

Das Privatleben der verschiedenen Charaktere war zum Teil zwar interessant und wurde detailliert beschrieben, aber diese Passagen stachen für mich aus der Geschichte heraus und fügten sich nicht nahtlos in die Entwicklung der Handlung ein. Besonders die Liebesgeschichten haben mich nur wenig berührt, weil ich zu wenig in die Charaktere investiert war.

Die Zeit- und Altersangaben passen oft nicht richtig zusammen. Ein Beispiel:

1981 ist Katharina 10 Jahre alt. Dann ist auf einmal ihr 14. Geburtstag, ohne dass aus dem Text wirklich ersichtlich wird, dass vier Jahre vergangen sind. 1995 ist Katharina plötzlich 20 Jahre alt, obwohl sie ja eigentlich 24 sein müsste.

Die 14-jährige Katharina spricht in ihrem Tagebuch immer noch wie ein kleines Mädchen und hängt sehr an ihrem Kuschelbären. Das passte für mich nicht so richtig zusammen. Überhaupt kam mir Sprache und Verhalten der minderjährigen Charaktere oft entweder zu erwachsen oder zu kindlich vor.

Zusammenfassung:
Das Buch ist kompetent geschrieben, verschenkt aber viel seines Potentials. Wirkliche Spannung kam für mich nur selten auf, und die Charaktere ließen mich durchweg eher kalt.