Rezension

Versprechen muss man halten

Was wir verschweigen -

Was wir verschweigen
von Arttu Tuominen

Bewertet mit 4 Sternen

 

In Arttu Tuominens Kriminalroman “Was wir verschweigen“ vergraben die 13jährigen Freunde Jari und Antti im Sommer 1991 eine Kapsel an einem Findling. Jeder hat dem anderen einen Brief geschrieben, in dem sie sich die Zukunft des Freundes ausmalen. Diese Briefe wollen sie in 27 Jahren gemeinsam wieder ausgraben. Sie versprechen sich ewige Freundschaft.

Im Herbst 2018 tötet ein Mann bei einem Besäufnis in einem entlegenen Wochenendhaus einen anderen mit einem Messer und flieht in den Wald. Er wird gefasst und behauptet, sich an nichts erinnern zu können. Die Anwesenden können kaum brauchbaren Zeugenaussagen liefern, da alle sturzbetrunken sind. Der leitende Ermittler, Jari Paloviita, stellt entsetzt fest, dass Täter und Opfer alte Bekannte sind: sein Freund Anttii Johannes Milonen und Rami Nieminen, ihr Feind aus der Kindheit, der sie mit seinen Kumpanen brutal schikanierte und Jari erheblich verletzte. Alle drei lebten in der Kleinstadt Pori und gingen zeitweise in dieselbe Klasse. Statt den Fall wegen Befangenheit abzugeben, überlegt Jari, wie er dem Verdächtigen helfen kann. Er empfindet Scham und Schuld angesichts seiner eigenen Karriere bei der Polizei und seines persönlichen Versagens gegenüber dem Freund. Die Wege der Beiden trennten sich früh aufgrund der unterschiedlichen Schullaufbahn und der daraus folgenden Berufschancen. Antti stammt aus einem prekären Milieu und landete schnell bei Drogen, Alkohol und Kriminalität, was zu einer Serie von Gefängnisaufenthalten führte.

Der Autor erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen, Sommer 1991 und Herbst 2018, wobei er durch einen sprachlichen Kniff verdeutlicht, dass es eigentlich um die Ereignisse von 1991 geht und weniger um den aktuellen Kriminalfall. Für die Ereignisse in der Vergangenheit benutzt er das Präsens, für die Gegenwart dagegen das Imperfekt. Der Kommissar verhält sich auffällig unprofessionell und greift unangemessen in die Ermittlungen ein. Seine Untergebenen Linda Toivonen und Henrik Oksam kommen ihm auf die Schliche, aber weder die Frage, ob Jaris Verhalten berufliche Konsequenzen hat noch ob der Täter verurteilt wird, spielt zum Schluss eine Rolle – vielleicht auch, weil der Autor eine Fortsetzung plant. Gezeigt wird das moralische Dilemma eines Mannes, der einst ein Versprechen gegeben, aber seinen Freund im Stich gelassen hat. Angesichts seiner lange verdrängten quälenden Erinnerungen muss er eine Entscheidung treffen.

Daneben gibt es weitere Themen: die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht mit allen Konsequenzen, außerdem Alkoholismus und häusliche Gewalt gegenüber Frauen und Kindern. Die ungeschönt dargestellte Brutalität trägt dazu bei, dass dieser Roman mit dem traurigen Ende wie eine Tragödie wirkt. Mich hat es sehr beeindruckt, auch wenn die sprachliche Qualität der Übersetzung das Lesevergnügen erheblich gemindert hat.