Rezension

Viel Comic - Charakter verknetet

Wo steckst du, Bernadette?
von Maria Semple

Bewertet mit 3 Sternen

Aus dieser Romanvorlage hätte man eine phantastische kleine und lustige Charakterstudie machen können. Wenn man gewollt hätte! Die Zutaten waren in Form der wundervoll verrückten Bernadette Fox vorhanden, das heisst, die Autorin hat eine prima Figur in der Hand gehabt - und sie dann zugunsten diverser Kalauer verknetet.

Im einzelnen:

Künstler sind exzentrisch. Nicht alle. Bernadette aber auf alle Fälle. Von L.A., der Sonnenseite des Lebens ist sie mit Elgin, dem Ehegespons, nach Seattle gezogen. In Seattle hat das Paar ein Kind bekommen. Elgins Genialität steht der Bernadettes in nichts nach, er hat bei Microsoft ein super Programm laufen. Man schwimmt in Geld, bezieht ein abgefahrenes Haus, dessen aggressives Brombeergestrüpp den ganzen Keller erobert und den Wohnzimmerboden wölbt, und hat Probleme ohne Ende.

Ein paar der Probleme rühren daher, dass Bernadette psychisch angeschlagen ist und Seattle hasst. Die anderen Probleme sind alltäglich: das Paar hat verlernt, miteinander zu reden. Auch die Bewohner Seattles haben Probleme. Das ist ja normal. Wer hat keine? Sie haben Probleme mit sich und sie haben Probleme mit Bernadette, die sich der Gemeinschaft verweigert.

Die Stilmittel, die Maria Semple einsetzt, um die diversen Konflikherde zu entwickeln, sind witzig: da werden Faxe geschrieben, Emailverkehr angeführt, Telefonate mitgeschnitten (von der Autorin), Zettelchen liegenlassen, Briefe geschrieben, ähnlich wie bei den Emailromanen Daniel Glattauers. Warum auch nicht? Es gibt kein Monopol darauf!

Die Entourage ist jedoch aufwändiger. Maria Semple braucht viele Puzzleteile, um die Geschichte um Bernadette zu rekonstruieren.

Ich halte es der Autorin zugute, dass sie nie den Überblick verloren hat und die verschiedenen Fäden entwirrte und zu einem Ganzen zusammenführte - und einige wirklich witzige Gags einbaute. Allerdings hat sie zugunsten des Kalauers ihre Figuren verraten. Aus der Exzentrizität Bernadettes und der daraus resultierenden Mauer aus Mißgunst und Feindschaft hätte man ein feines, ironisches, gesellschaftskritisches Porträt zeichnen können. Dazu hätte man natürlich einige Figuren streichen und sich um die verbliebenen besser kümmern müssen.

Fazit: Die Geschichte einer exzentrischen Architektin, die aufgrund ihres So-seins überall aneckt, wurde von überflüssigem Personal und unglaubhaften Wendungen genau so erstickt wie Bernadettes Haus von ihren Brombeeren. Übrig blieb statt einer faszinierenden Story über eine aussergewöhnliche Künstlerin nur ein mässig lustiger Comic.

Kategorie: Leichte Unterhaltung // Verlag btb