Rezension

Willkommen in der Welt der Worte

Der Wortschatz
von Elias Vorpahl

Bewertet mit 5 Sternen

Selten habe ich den Titel eines Buches als Programm oder als Versprechen verstehen dürfen. Bei Elias Vorpahls Erstlingswerk ist dies anders: Dieser Roman ist sprichwörtlich ein Schatz aus Worten und zugleich die Suche nach diesem (unseren) Wort-Schatz, auf die sich der Leser mit einem ungewöhnlichen Protagonisten begibt.

Bereits der Schutzumschlag des kleinen (aber feinen) Büchleins hat etwas Traumhaftes und lässt eine Geschichte erahnen, in der die Bestandteile unserer Sprache, Worte und Buchstaben, die entscheidende Rolle spielen (werden). Darunter wartet, auf einem dunkelblauen Einband, ein Versprechen in Form einer brennenden Kerze. Fast fühlt man sich als Leser, als läge man auf einer dünnen Matratze auf einem staubigen Holzdielenboden, der Raum einzig erhellt von dieser einen Kerze, die Bettdecke bis zu den Ohren hochgezogen. Beim Aufschlagen des Buchdeckels knistert der Rücken vielversprechend, die Seiten flüstern leise...Ein Teil des Zaubers dieses Romans wird durchaus von seiner Gestaltung getragen. Schon der erste, aber auch der zweite und dritte Blick, die kleinen Details und liebevollen Illustrationen verraten, dass hier viele Gedanken, viel Mühe und viel, viel Liebe (für unsere Sprache, für Literatur, für Geschichten!) verwandt wurden, damit die äußere Erscheinung ein Vorgeschmack auf den Inhalt wird. 
Die Story selbst ist dann zunächst einmal recht simpel: Ein Wort, bisher behütet in der Welt der Worte aufgewachsen, wird von einem Menschen gewaltsam ausgesprochen und verliert dabei seine Erinnerungen und seine Bedeutung. Gleichsam sinnlos geworden, ist es nun gezwungen, sich auf die Suche nach diesem zu machen und sich damit auch auf die Reise durch seine eigene Welt zu begeben, die es zusammen mit dem Leser völlig neu erfährt und dabei allerlei Sonderbares trifft. 

Der wahre Zauber der Geschichte liegt in diesen einzelnen Stationen, Begegnungen und Orten. Nicht selten begegnet man als Leser hier bekannten Gesichtern und Figuren der Literatur und kann sich an ihnen erfreuen ohne die Texte unbedingt präsent haben zu müssen. Dadurch wurde es speziell für mich zugleich eine Reise in meine Kindheit. Und sie erleichterten z.T. den Zugang zu Vorpahls Romanwelt. Denn vor allem gründet die Faszination an diesem Roman  im Sprachwitz und in der Sprachakrobatik. Floskeln, Phrasen, Sprachbilder, grundlegende Eigenschaften und Bestandteile der eignen Sprache werden hinterfragt, bekommen eine neue Bedeutung oder betonen ihre Doppeldeutigkeit. Elias Vorpahl erschafft eine abstrakte Welt, die er aber in bekannte Bilder zu kleiden vermag, sodass es einfach ist, mit der eigenen Fantasie die Lücken zu füllen und die Bilder mit Leben zu füllen. Obwohl die Geschichte nur knapp 150 Seiten umfasst, verweilt man viel länger in ihr und erfährt gefühlt die eigene Sprache noch einmal neu. 

Dieses Buch ist ein unbedingtes MUSS für alle Literaturliebhaber und Sprachakrobaten. Aber auch eine Empfehlung für jeden, der Gefallen an klugem Witz findet und/oder in Zeiten des Sprachverfalls (?) mal über ganz einfache und grundlegende Eigenschaften der Sprache nachzudenken die Muße hat.