Rezension

Willkommen in Green City

Die Geschichte der schweigenden Frauen - Bina Shah

Die Geschichte der schweigenden Frauen
von Bina Shah

Bewertet mit 5 Sternen

In der Vergangenheit wurde die Menschheit von einem Virus befallen, das v.a. die Frauen sehr dezimiert hat. Seitdem ist das Verhältnis aus Männern und Frauen deutlich in Richtung der Männer verschoben. Mit Hilfe von neuen Technologien und Gewalt hat die Regierung ein System geschaffen, dass die Bevölkerung gefügig macht und sie unter Kontrolle hält. Niemand traut sich zu rebellieren und die Frauen sind gezwungen, mehrere Männer gleichzeitig zu haben und so viel Kinder wie möglich in die Welt zu setzen. Doch im Untergrund gibt es eine Organisation, die sich "Die Panah" nennt. Sie besteht auseiner kleinen Anzahl an Frauen, sie sich dem System widersetzen. Sie leben im Verborgenen und bieten ihren Kunden das an, was sie von ihren Ehefrauen nicht bekommen können: Eine Frau für sich alleine, jemand der sich um sie sorgt und bei ihnen ist. Doch alles nur für eine Nacht und ohne sexuelle Gefälligkeiten.

Den Schreibstil finde ich richtig gut. Man ist direkt mitten drin und die Kombination aus verschiedenen Erzählperspektiven und Rückblenden hat mir sehr gefallen. Auch die Sprache ist leicht verständlich und flüssig, nie gab es Stellen, bei denen ich sprachlich hängen blieb. Erzählt wird die Geschichte jeweils von unterschiedlichen Frauen der Panah, vereinzelt auch von Männern der 'normalen' Welt. Die Personen sind dabei sehr unterschiedlich und ich fand es interessant die verschiedenen Gedankengänge und Ansichten zu sehen. Jeder hat seine eigenen Probleme, wobei viele nur aus Missverständnisse oder Lügen herrühren. Wären die Figuren ehrlicher zueinander, hätten sie sich vermutlich viele Unannehmlichkeiten erspart.

Die Welt in der die Geschichte spielt ist sehr düster. Die Frau wird ungefragt zur Gebährmaschine degradiert und wird mit Medikamenten zur Förderung der Fruchtbarkeit schon früh an körperliche Grenzen gebracht. Auch die seelischen Aspekte sind nur schwer zu ertragen für viele der Frauen, doch sie müssen sich fügen. Denn wer rebelliert, verschwindet oder erleidet Unfälle. Die scheinheilige Propagande, die Frau sei das höchste Gut fördert sie Ausnutzung der Frauen nur noch mehr und die männlichen Vertreter der Spezies werden angehalten ihre Töchter so früh wie möglich ins System zu integrieren. Je jünger die Tochter, desto mehr Zuschuss erhält der Vater. Diese Entwicklung fand ich sehr beängstigend, die Frau als Sklave des Mannes, die sich fügen und Kinder gebähren muss. Doch auch die Männer scheinen nicht immer sehr glücklich mit dieser Konstellation zu sein, wollen sie doch viel lieber eine Frau ganz für sich alleine. Hier kommen die Frauen der Panah ins Spiel. Die Idee dahinter fand ich sehr interessant, sie ist das komplette Gegenteil von der heutigen Welt. Die Panah bieten ihre Dienste nur ohne sexuelle Handlung an, es geht einzig und allein um die körperliche Nähe. Insgesamt fand ich die Welt auch sehr gut dargestellt und die Gefühle und Ängste haben mich erreicht.

Die Handlung an sich ist nicht sonderlich spannend. Es geht hauptsächlich um Sabine, eine der Frauen aus der Panah, die, ebenfalls durch Missverständnisse, als illegale Patientin in einem Krankenhaus landet. Von da an begleitet man die verschiedenen Personen, die im Gesamtkontext etwas mit dieser Eilieferung zu tun haben. Das Ende war mir vielleicht etwas zu klischeehaft und positiv dennoch hat das dem Buch nicht geschadet. Das was das Buch für mich zu etwas besonderem macht, war die Sprache und das Gesamtkonzept. Obwohl nicht viel an Handlung stattfindet, fand ich es spannend und wollte es nicht mehr aus der Hand legen. Die Aufsummierung der Missverständnisse und Lügen, die zu einem großen Finale führt, hat mich bestürzt und es hat mich erschüttert, wie leicht die Dinge aus dem Ruder laufen.

Obwohl das Buch nicht sonderlich viel Tiefgang hat, hat mich die Welt und die Behandlung der Menschen nicht mehr losgelassen und es hätte gerne noch mehr Seiten haben können.