Rezension

Thrillerartige Dystopie

Die Geschichte der schweigenden Frauen - Bina Shah

Die Geschichte der schweigenden Frauen
von Bina Shah

Bewertet mit 4 Sternen

Unterdrückte Bevölkerung, unwürdiges weibliches Leben, hemmungslose Ignoranz der strengen Regeln und Verbote durch die Elite.

Eigentlich müsste in Green City das weibliche Geschlecht aus einer erhöhten Machtposition heraus agieren können, nachdem durch einen für Frauen tödlichen Virus ihre Anzahl erheblich dezimiert wurde. Sie sind die einzige und letzte Chance für Green City zu überleben. Nur die besten Männer wären von den wenigen Frauen auserwählt, eine Familie gründen, der gesamte Arbeitsaufwand und die Versorgung der Familien würde von Männer erledigt werden. Das Kinderhaben wäre durch die Unterstützung so attraktiv, dass der Fortbestand von Green City gesichert wäre...

Die Realität von Green City sieht jedoch ganz anders aus. Die eigentlich wertvollen Frauen werden in einen goldenen Käfig gesperrt und vollgepumpt mit fruchtbarkeitssteigernden Medikamenten zu Gebärmaschinen degradiert. Obwohl ihnen materiell vermutlich nichts fehlt, ist ihr Leben wenig lebenswert. Wie Vieh werden sie mit verschiedenen Männern zusammen gebracht, ihre Körper als Brutschränke ausgezehrt, bis sie zusammenbrechen. Der Begriff der Zwangsverheiratung erscheint dabei fast noch beschönigend. Da das Zusammensein von Mann und Frau einzig dem Zweck der Fortpflanzung dient, gibt es Liebe und Zuneigung nur zwischen Müttern und ihren Kindern, ansonsten ist das Leben kalt und einsam.

Vor diesem Hintergrund gefällt mir das etwas düstere Cover mit der hübschen, aber stark geschwächt wirkenden jungen Frau. Obwohl sie eine wunderschöne Aussicht genießen könnte, wirkt sie abgewandt vom Leben, mutet depressiv an. Gelungen finde ich zudem die Wiederholung einzelner Bildausschnitte auf dem Buchrücken und auf der Rückseite. Die zweisprachige Betitelung der Kapitel hatte etwas Schönes.

Einige wenige Frauen schaffen es, sich dieser Realität zu entziehen. Sie leben im Untergrund, in der sogenannten Panah, und verdienen ihren Unterhalt mit Etwas, das in Green City verboten ist, unter drakonische Strafe gestellt ist, Zuneigung ohne Sex. Zu ihnen gehören auch Sabine, Lin und Rupa. Da die wohlhabenden Männer, die diese Dienste in Anspruch nehmen, irgendwann mehr wollen, gerät das ganze Konstrukt aus den Fugen. 

Die Welt von Green City ist recht rudimentär beschrieben, gerade so umfangreich, wie es für das Verständnis der Geschichte erforderlich ist. Vermutlich dadurch erscheinen bestimmte Fakten, die keine weitere Verwendung finden, wie der Ultimative Krieg, etwas aufgesetzt. Die Unterdrückung der breiten Masse innerhalb des Überwachungsstaates und das Hinwegsetzen der staatlichen Elite über die eigenen strengen Regeln empfand ich dagegen äußerst glaubwürdig. Die Entwicklung der Protagonistin Sabine ist nachvollziehbar. Bei ihr hätte ich mir allerdings eine umfangreichere Ausprägung ihrer Emotionen gewünscht, sowie einen deutlicheren Austausch mit Lin und Rupa. Die Drei wirken deshalb nicht richtig wie eine eingeschworene Gemeinschaft, die gegen den Rest der Welt antritt und zusammen rebelliert.

Ich mochte die indisch-asiatische, vielleicht auch etwas arabische Atmosphäre des Romans. Aus dem Rahmen fällt dabei nur der recht deutsche Name Sabine. Die indische Version Sabina hätte mir persönlich besser gefallen. Durch das Kippen der eingefahrenen Struktur kommt Geschwindigkeit in „Die Geschichte der schweigenden Frauen“, die in der zweiten Hälfte auch mächtig an Spannung zulegt. Das Gedankenspiel der Verknappung von Frauen war sehr interessant. Insgesamt ist diese Dystopie vielleicht nicht perfekt, hat dennoch einen guten Unterhaltungswert.