Rezension

Zu viel gewollt

Cloris - Rye Curtis

Cloris
von Rye Curtis

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses Buch ist speziell. Einerseits finde ich sehr viel fragwürdig, andererseits liest es sich schnell und ist tatsächlich unterhaltsam.

Hier erzählt eine alte Dame im Plauderton von ihrem Flugzeugabsturz, das ist schon mal das Erste, was befremdet. Man meint fast, sie gibt es in ihrem Bridgeclub zum besten und kann im Nachhinein die Situation mit Galgenhumor betrachten, auch wenn der Tod ihres Gemahls natürlich bedauerlich ist.

Gleichzeitig macht sich ein Retterteam auf die Suche, das an Skurrilität nicht zu überbieten ist. Während die Rangerin etwa drei Mal pro Seite einen ordentlichen Hieb Merlot nimmt und alles „gottverdammt“ findet, rollt der Leiter der Luftrettung zwanghaft Kreide in den Händen, ruft „Koojee“ und weiß selbst nicht, was das heißen soll. Der Hubschrauberpilot singt ständig Kirchenlieder und der Assistent stickt gerne, wobei er ein mittelalterliches Häubchen trägt.

Natürlich hat das alles seinen Grund und jeder eine eigene Geschichte, allerdings sind hier die Protagonisten so übertrieben originell angelegt, dass sie vor lauter Marotten zu Witzfiguren werden.

 

Auch der Erzählstil setzt auf ungewöhnliche bildhafte Vergleiche und schießt dabei über das Ziel hinaus.

„… und dann saß ich da, die Arme um die Schultern geschlungen, dass es aussah wie die Scharniere am Schrank unter meinem Spülbecken.“

„Sein dünner schwarzer Schatten tauchte auf wie ein Insekt aus einem Riss im Fußboden.“

„Jetzt wandte er ihr den Kopf zu und zitterte wie eine klapprige Theaterkulisse an einem Flaschenzug… sagte er und hustete gegen die dicken Enden seiner Finger.“

Oft werden Anekdoten eingeworfen, die am Rande des guten Geschmacks anzusiedeln sind, nicht zur Handlung beitragen und offensichtlich nur provozieren sollen.

„Erst kürzlich habe ich ein wundervolles Kunstwerk erstanden, von einem Traktormechaniker in Washburn, Arkansas. Jorge Moosley. Er benutzt seine Mutter als Leinwand. Die liegt im Koma. Bemalt sie von Kopf bis Fuß mit Landschaften und fotografiert sie dann. Ich habe jetzt White Water Vapids von ihm bei uns zu Hause in Missoula hängen. Es bricht einem das Herz.“

 

Mit diesem Buch wollte der Autor wohl neue Wege beschreiten. Es erzählt von einer Katastrophe und soll gleichzeitig die Abgründe menschlicher Existenz ausloten, von Grenzerfahrungen erzählen, von Aussteigern, von Liebe in allen Erscheinungsformen, vom Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Nur ist so etwas ein hehres Unterfangen, das Weisheit und Fingerspitzengefühl erfordert. Hier wird es eher mit der Brechstange angegangen und durch sensationsheischende, slapstickhafte Elemente unterwandert. Natürlich hat das Unterhaltungswert, nur bleibt die Tragik, die das Thema bietet, komplett auf der Strecke.

Ich habe hier hoch Dramatisches erwartet und eher absurdes Theater bekommen. Nichts gegen absurdes Theater…

Kommentare

wandagreen kommentierte am 21. Juli 2020 um 18:12

*Lachtränen*. Was Mist, dass ich das auch noch lesen muss. Jedenfalls hilft deine Rezi sehr, mich zu wappnen. Klingt nach nem 1Sternebuch ...

katzenminze kommentierte am 21. Juli 2020 um 19:51

Ich finde absurdes Theater doof... ;) Aber das Bild der plaudernden Oma gefällt mir irgendwie.

Emswashed kommentierte am 22. Juli 2020 um 07:15

Warum lest ihr solche Sachen?

Sursulapitschi kommentierte am 22. Juli 2020 um 08:52

Wir dachten, wir läsen die anrührende Geschichte einer tapferen alten Dame, die einen Flugzeugabsturz überlebt hat und fanden das interessant. Es stimmt auch alles außer "anrührend".

Marshall Trueblood kommentierte am 22. Juli 2020 um 19:13

Dieses Buch ist speziell. Einerseits finde ich sehr viel fragwürdig, andererseits liest es sich schnell und ist tatsächlich unterhaltsam.

Das sind auch genau meine Gedanken. Ich glaube, der Autor nimmt seine Figuren selber nicht ernst...und das ist das Problem. Es geht um große Themen, aber das Personal könnte auch die Starbesetzung einer Freak-Show sein.

Sursulapitschi kommentierte am 22. Juli 2020 um 19:26

Freak-Show trifft es gut. Er hat sich sehr um originelle Figuren bemüht, aber wenn sie dann alle aus dem Rahmen fallen ...dann fällt auch der Rahmen...:D...äh... dann wird es albern, wo es nachdenklich stimmen sollte.