Rezension

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Bewegendes Zeitdokument

Liebe, Hoffnung, Tod - Jochen Rehm

Liebe, Hoffnung, Tod
von Jochen Rehm

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist Februar 1955 in Tel Aviv. Heute ist Marias 16. Geburtstag. Das erste Mal in ihrem Leben darf sie Alkohol trinken. Nach dem Abendessen fragt sie ihre Eltern, wann und wo sie sich kennengelernt haben. Bisher sind sie dieser Frage ausgewichen. Nun aber ist Maria alt genug, um alles zu erfahren.

Die gemeinsame Geschichte ihrer Eltern beginnt im Jahre 1934 in München.

Der Roman ist ein beeindruckendes Zeitdokument. Im Mittelpunkt stehen Sarah und Ludwig.

Sarah stammt aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Sie lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder. Die Entwicklung in Deutschland sieht sie mit offenen Augen. Deshalb informiert sie sich über eine mögliche Ausreise nach Israel und beschafft sich schon erforderliche Dokumente.                                                Ihr Vater allerdings glaubt an keine Gefahr.

Ludwig, Sohn eines bayrischen Beamten, ist angehender Lateinlehrer und Humanist. Sein älterer Bruder allerdings gehört der SA an. Trotzdem haben die Geschwister ein gutes Verhältnis.

Der Autor beschreibt die ersten Begegnungen und die zarten Annäherungsversuche zwischen Sarah und Ludwig. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern.

Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell gefesselt. Das lag zum einen an der inneren Spannung, die sich aus den historischen Gegebenheiten entwickelte, zum anderen an der sprachlichen Gestaltung. Detailgenau beschreibt der Autor die politischen Verhältnisse in den Ländern, in denen das Buch spielt. Das geschieht vorwiegend durch die inhaltsreichen Gespräche der Protagonisten und durch ihr Erleben im täglichen Einerlei. Als besonderes Stilelement nutzt er ab und an die Möglichkeit, die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven von unterschiedlichen Protagonisten erzählen zu lassen. Das gibt zwar notgedrungen Brüche im zeitlichen Ablauf, stört aber nicht den Lesefluss.

Nicht nur Sarah und Ludwig wurden gut charakterisiert. Bei allen für die Handlung wichtigen Personen lässt mich der Autor einen Blick in die Vergangenheit werfen. Das ermöglicht mir, die charakterliche Entwicklung nachvollziehen zu können und die Motive ihres Tuns zu begreifen.

Alle Protagonisten haben Stärken und Schwächen, sind nicht gefeit vor Fehlentscheidungen und müssen sich immer neu bewähren.

Die Geschichte führt mich von Deutschland über Tschechien und Spanien in das damalige britische Protektorat Israel. Die ganze Vielfalt der Emotionen begleitet mich dabei. Liebe und Hass, Trauer und Hoffnung, Versagen und Neuanfang, Freude und Schmerz sind werden thematisiert. Durch den eher sachlichen Erzählstil wirken manche Stellen und Situationen besonders bewegend.

Das Cover mit der israelischen Fahne symbolisiert für mich die Hoffnung Sarahs auf ein freies und selbstbestimmtes Leben.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Gerade weil Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft und Nationalität sich gefunden haben und gemeinsam durch die dunklen Jahre gegangen sind, konnten viele Aspekte des historischen Geschehens beleuchtet werden.