Rezension

Das geheime Leben der Pflanzen

Der Wald -

Der Wald
von Tibor Rode

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Haben die Menschen die Natur erschaffen, oder hat die Natur den Menschen erschaffen? Hat die Pflanze weniger Berechtigung, auf diesem Planeten zu leben, als der Mensch? Insbesondere wenn man bedenkt, dass sie offenbar in der Lage ist, sich gegen andere Pflanzen und sogar den Menschen evolutionär zu behaupten?" (S. 280)

Wir befinden uns in einer Dystopie: überall auf der Welt wuchert eine unbekannte Pflanze in rasanter Geschwindigkeit, sie vernichtet alles, was um sie herum wächst und ist auch für Menschen lebensbedrohlich. Sie vereint alle Eigenschaften von den unterschiedlichen Pflanzengattungen und es scheint, als wäre sie unzerstörbar. Im Kampf gegen die Ausbreitung der Pflanze begleiten wir drei Hauptprotagonist:innen: den Pflanzen-Neurobiologen Marcus Holland, der versucht die Pflanze zu verstehen, um ihrer so Herr zu werden; die Archäobotanikerin Waverly Park, die unwissentlich daran beteiligt ist, die „Teufelspflanze“ überhaupt erst zu ihrer Existenz zu verhelfen; und die Informatikerin Ava, die an einem Forschungsprojekt im Kanadischen Urwald arbeitet, das schlussendlich mehr mit der Pflanze zu tun hat, als zu Beginn angenommen werden kann. In einer Reise um den Globus trifft wissenschaftlich Gutes auf kapitalistisches Böses, spielt die Geschichte der Erde und die Geschichte der Illuminaten sowie der Blick in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz eine zusammenhängende Rolle und letztendlich ist – fast – nichts so, wie es scheint.

Der Biothriller ist rasant im Tempo und durchgehend spannend, es ist mir sehr schwer gefallen das Buch wegzulegen. Immer wieder tauchen neue Aspekte und Wendungen in der Story auf, die größtenteils unerwartet sind. Tibor Rode schafft es gesellschaftliche Fehlentwicklungen in einer dystopischen Geschichte aufzuzeigen und komplexe Lebewesen zu thematisieren, die in unserer Gegenwart im Bewusstsein eine viel zu untergeordnete Rolle spielen: Pflanzen. Wie das oben angeführte Zitat aus dem Roman darlegt, regt die Entwicklung der Geschichte die Leser:innen dazu an, die gesellschaftlichen Gegebenheiten zu hinterfragen. Es wird ein Bild gezeichnet, das sich durchaus in unserer Welt ereignen kann – eine neue Bedrohung, die die Menschheit in ihrer Existenz bedroht. Es eröffnet einen Horizont, der zugleich realistisch als auch utopisch bzw. dystopisch erscheint.

So fesselnd die Geschichte auch ist, hat das Buch auch seine Schwächen. Einige Geschehnisse sind für die Geschichte völlig unnötig und es ist schwer nachvollziehbar, weshalb diese eingeflochten wurden – der Autor hätte diese schlicht sein lassen können (beispielsweise eine kurz nebenbei erwähnte Liebesgeschichte). Bei anderen Wendungen fragt sich eine, weshalb sie eingebaut wurden, weil sie als ziemlich unrealistisch und für die Story unrelevant erscheinen. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, um nicht zu spoilern, aber der Austausch mit anderen Lesenden hat mich in dieser Ansicht nur bestätigt. Teilweise ergeben gewisse Entwicklungen einfach keinen Sinn. Anderes bleibt unerklärt und hinterlässt eine mit dem Gefühl, dass Erklärungen fehlen.

Nichtsdestotrotz spreche ich für „Der Wald“ eine absolute Leseempfehlung aus! Es ist eines der spannendsten Bücher das ich seit langer Zeit gelesen habe und der Autor schafft es, eine so zu fesseln, dass es schwer ist, das Buch wegzulegen und nicht darüber nachzudenken! Er zeichnet eine absolut realistische Dystopie, bei der nur gehofft werden kann, dass sie niemals so eintritt. Ihm gelingt es, dass sich die Lesenden über die derzeitigen global-gesellschaftlichen Entwicklungen hinterfragende Gedanken machen und dazu anzuregen, etwas für die Verbesserung im Umgang mit der Natur zu tun!