Rezension

Der 2. Fall für Kommissär Reitmeyer

Wintergewitter - Angelika Felenda

Wintergewitter
von Angelika Felenda

Bewertet mit 5 Sternen

»Dann wäre es also … Mord gewesen?« Caroline blickte zu Riedl hinüber, bevor sie antwortete. »Zu dem Schluss muss man wahrscheinlich kommen.« Reitmeyer starrte einen Moment zu Boden. Er sah die Szenerie in der Brennnessel wieder vor sich. »Ich hab Angst«, hatte sie gesagt. Und er hatte sie abgewehrt und ihr geraten, Anzeige zu machen, wenn sie sich bedroht fühle. Ein Brennen stieg in ihm auf und breitete sich wie eine ätzende Flüssigkeit aus.

München, 1920. Kommissär Reitmeyer ist aus dem Krieg zurück. Im Gegensatz zu diversen seiner Kollegen wurde er nicht schwer verwundet, leidet aber aufgrund erlittener Traumata unter Panikattacken, die er verzweifelt versucht, vor seiner Umgebung zu verbergen. Über mangelnde Arbeit kann er sich auch nicht beklagen, denn die allgemeine Not der Bevölkerung hat zu einer wahren „Diebstahlseuche“ geführt. Und nun noch kurz hintereinander zwei ermordete junge Frauen! Die Ermittlungen führen Reitmeyer quer durch das boomende Filmmilieu, in illegale Spielclubs und ebensolche Bordelle. Dabei kreuzen sich immer wieder seine Wege mit denen der jungen Gerti Blumfeld, die nach ihrer verschwundenen Schwester sucht und dabei selbst in Lebensgefahr gerät…

 

Seit ich vor zwei Jahren „Der eiserne Sommer“, Reitmeyers ersten Fall, gelesen hatte, wartete ich auf den Folgeband. Was soll ich sagen? Das Warten hat sich gelohnt!

Spannend und fesselnd geschrieben bettet die Autorin die Krimihandlung in den nicht weniger spannenden zeitgeschichtlichen Rahmen ein. Deutlich werden gegenübergestellt die große Not der Bevölkerung auf der einen Seite und das Luxusleben der Bessergestellten und Privilegierten auf der anderen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach den furchtbaren Kriegsjahren und die immer stärker werdende Macht von rechts…

 

Sebastian Reitmeyer ist ein Charakter, mit dem ich gerne mitfiebre. Es ist nicht alles perfekt an ihm, er hat menschliche Schwächen und seine psychischen Probleme können durchaus mal zum Problem für andere werden. Aber in einer Welt, die immer mehr nach rechts rückt, schlägt sein Herz links und in einer Behörde, die immer mehr nach politischen Richtlinien agiert, versucht er im Rahmen seiner Möglichkeiten für das Recht zu kämpfen. Dass es bei dieser Ausgangssituation schwerlich ein gutes Ende geben kann, liegt auf der Hand – alles andere wäre unrealistisch. Und genau so wirkt das Buch nicht, im Gegenteil erscheint es mir von vorne bis hinten sehr wirklichkeitsnah.

Im Anhang finden sich Anmerkungen, die höchst interessant im Buch vorkommende Ereignisse und Personen geschichtlich einordnen. Reitmeyer ist eine fiktive Gestalt, doch hoffe ich sehr, dass es Polizisten wie ihn gegeben hat.

 

Fazit: Der zeitgeschichtliche Rahmen wird immer brisanter, trotzdem hoffe ich auf noch mindestens einen weiteren Fall für Kommissär Reitmeyer.

 

»Reitmeyer lagen durchaus ein paar Ausdrücke auf der Zunge. Aber er beherrschte sich … Dieser Anwalt Gadmann war ihm natürlich nicht unbekannt. Der trat seit Längerem auf den Plan, wenn es galt, Verdächtige aus dem rechten Spektrum rauszuhauen. Und dabei stieß er kaum auf Widerstand, dank seiner ausgezeichneten Vernetzung mit »vaterländischen« Kreisen, denen auch der Polizeipräsident, der Staatsanwalt und der Justizminister angehörten. … Wenn sich ein Polizeikommissär hier einmischte, hätte er schlechte Karten. Sehr schlechte.«