Rezension

Faszinierende Antiheldin und schonungslose Gesellschaftskritik

Die Einladung -

Die Einladung
von Emma Cline

Keine Einladung gilt für immer – erst Recht nicht für Alex. Emma Clines Protagonistin, ein ehemaliges Escort Girl, landet nach einem kurzen Schnupperbesuch im Leben der Reichen und Schönen, auf dem Boden der Tatsachen. Nachdem sie seinen Wagen beschädigt hat, setzt der deutliche ältere Simon, sie vor die Tür seiner Villa in den Hamptons. Alex beschließt, sich bis zu Simons großer Party alleine durchzuschlagen und reißt die Leser:innen mit in eine soghafte Abwärtsspirale.

Ohne Plan, ohne Obdach, ohne Geld und mit schwindendem Schmerzmittelvorrat macht Alex sich auf den Weg und zeigt sich dabei manipulierend, oft grenzüberschreitend und ohne Reue. Die brennende Frage, warum Alex ist, wie sie ist, lässt Emma Cline dabei explizit unbeantwortet.

„Warum bist du so?“ fragte er. Und er fragte wirklich. Erwartete irgendeine Erklärung, irgendeine logische Gleichung - x war ihr passiert, irgendetwas Schlimmes, deshalb war y ihr Leben, und das leuchtete natürlich ein. Aber wie sollte, Alex erklären, dass es keinen Grund gab, dass ihr nie etwas Schlimmes widerfahren war. Es war alles ganz normal gewesen. (S. 147)

Mit dieser Figur gelingt Emma Cline eine faszinierende Antiheldin – es fällt schwer für Alex Sympathie zu entwickeln, viel mehr löst sie Gefühle wie Abscheu und Entsetzen, manchmal auch Mitleid aus. Interessanterweise führt dies aber nicht dazu, dass die Personen, denen Alex begegnet, positiver wahrgenommen werden.  Im Gegenteil, die Interaktionen mit Alex ermöglichen einen schonungslosen und nüchternen Blick auf die Gesellschaft, der durch den klaren, schnörkellosen Schreibstil noch unterstrichen wird.

Wie natürlich es Alex scheint, sich den Bedürfnissen älterer Männer anzupassen, keine Reibungsflächen zu bieten, sich unsichtbar zu machen. Wie selbstverständlich alle Unannehmlichkeiten des Lebens an Personal „outgesourced “ werden, wie sehr die Kinder der Reichen sich selbst überlassen sind – fest verankerte patriarchalische Strukturen, Machtgefälle, Abhängigkeiten, Drogenkonsum – ohne je belehrend zu wirken, zeichnet der Roman ein Bild der Gegenwart und ist damit auch eine Einladung zum Nachdenken.