Rezension

Großartige Ideen... und alle sind sie verpufft

Under Water - Matt De la Peña

Under Water
von Matt De La Pena

Wunderkerze statt Feuerwerk

Ein Tsunami, ein Schiff in Seenot, ein Haufen hungriger Haie und eine geheimnisvolle Insel! Matt de la Peñas Jugendbuch "Under Water" verspricht jede Menge Action und Spannung und hat im Grunde alles, was ein echter Pageturner braucht. Es gibt eine intelligente – gar nicht mal so abwegige - Grundidee, ein klaustrophobisches Setting, eine sympathische Hauptfigur und etliche lebensbedrohliche Situationen. Trotzdem wird diese Rezension der Versuch zu erklären, warum diese hochdramatische Geschichte bei mir nur ein paar einzelne Funken statt eines emotionalen Feuerwerkes verursachte.

Damit hatte ich vor allem nach der Auftaktszene nicht gerechnet, in der mein Blutdruck locker auf 200 schnellte:
Shy, ein junger Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln arbeitet während des Sommers auf einem Kreuzfahrtschiff, wo ihn eines Tages ein Mann anspricht und sich kryptisch für seine Feigheit entschuldigt. Kurz darauf sieht Shy, wie der Mann über die Reling klettert, um ins Meer zu springen. In letzter Sekunde kann Shy den Mann am Ärmel packen, schafft es aber nicht ihn wieder an Bord zu ziehen. Der Mann stürzt ab und stirbt.
Zeitsprung.
Wochen später auf einer anderen Kreuzfahrt plagen Shy immer noch Schuldgefühle. Schwerer aber noch, als der Selbstmord des Mannes wiegt für Shy der Tod seiner Großmutter, die kurz zuvor an der rätselhaften Romero-Krankheit gestorben ist. Ein Lichtblick in Shys Leben ist Kollegin Carmen, für die Shy heimlich schwärmt. Doch der Gedanke an den toten Passagier und der Verlust der Großmutter hängen wie eine dunkle Wolke über ihm.
Als wäre Shys Unglück nicht schon groß genug, bricht ein Tsunami über das Schiff herein. Nun geht es für die Crew und die Passagiere ums nackte Überleben. Wer kann sich retten? Wer fällt der Katastrophe zum Opfer? Und wer schafft es lebend auf die mysteriöse Insel, von der die hochnäsige Addie – Tochter eines hoch bezahlten Wissenschaftlers - behauptet, dass es sie gibt.

Shy ist ein angenehmer Charakter, der den Leser schnell für sich einnimmt und leicht in die Geschichte führt. Die ersten Kapitel habe ich förmlich verschlungen, wohl auch, weil so viel Rätselhaftigkeit in der Luft lag und ich nach der dramatischen Selbstmordszene darauf lauerte, dass jeden Moment wieder etwas Fieses passiert. Auch tauchen einige undurchsichtige Charaktere auf dem Schiff auf und das Gefühl des Eingeschlossenseins und der Bedrohung verstärkt sich … Allerdings nur auf - sagen wir - cirka 50 Prozent. Dort stagniert es leider!

Vermisst habe ich vor allem mehr Aktivität seitens des Protagonisten, der lange Zeit nicht weiß, dass sich - abgesehen von seinen persönlichen Sorgen - etwas Großes, Besorgniserregendes anbahnt und die wenigen Hinweise darauf spät verfolgt.
Zwischen kurzen, spannenden Szenen kreisen Shys Gedanken um seine Familie und die tote Großmutter, vor allem aber um Schönheit Carmen, mit der Shy einige tiefgründige Gespräche führt und deren lange, schlanke Beine, dunkle Augen und wilde Locken er gefühlt auf jeder zweiten Seite anschmachtet. Da das Buch bestimmt viele Jungs anspricht, dürften dies auch Passagen sein, die besonders weit von dem Versprechen auf eine Abenteuergeschichte wegführen.
Und: So löblich auch das Bemühen um einen glaubwürdigen Hauptcharakter ist, die Nebencharaktere fallen bei diesem Maß an Innenschau leider hinten über, bleiben blass und farblos.

Als die Handlung die Stelle erreicht, in der der Tsunami über das Schiff hinwegfegt, kann Shy erstmals seit der Auftaktszene wieder seinen Mut beweisen. In gewisser Weise kennzeichnet das Ereignis einen Bruch hin zu mehr Spannung. Trotzdem gleitet die Handlung immer wieder in Monotonie ab, spitzt sich die Lage zu und flacht kurz darauf wieder ab, läuft vieles zu glatt, einiges zu vorausschaubar und auch die Zufälle belaufen sich am Ende auf eine stattliche Anzahl.
Vor allem aber wird der bedrohliche Charakter der Ereignisse nicht gut genug herausgearbeitet. Werft an dieser Stelle noch einmal einen Blick auf das Cover! Ein verwaister Rettungsring, ein ziemlich grimmig aber irgendwie satt aussehender Hai … beängstigend, oder? Das Gefühl von sich senkrecht aufstellenden Nackenhärchen, das das Cover ziemlich effektvoll auslöst, schafft die entsprechende Szene im Buch leider kaum. Sie ist so enorm kurz, dass ich mich bis zum Ende hin immer wieder gefragt habe, wann denn wohl die Haie wieder ins Spiel kommen. Ob das passiert oder nicht, wird aber nicht verraten.

Ich bin unentschlossen, ob ich die Serie (bisher ist es eine Dilogie, einige Stimmen mutmaßen einen dritten Teil) weiter verfolgen werde. Die Idee hat mir prinzipiell gut gefallen. Das Buch hat viele gute Ansätze, aber die Art in der hier gleichzeitig viel und wenig passiert, sich die Dinge entweder zu langsam oder zu schnell entwickeln und insgesamt ein Gefühl von Flüchtigkeit vorherrscht, spricht eher dagegen.