Rezension

Gute Stimmung im Gehirn

Hirnrissig - Henning Beck

Hirnrissig
von Henning Beck

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ego cogito, ergo sum. Ich denke, also bin ich - ja oder ja? Man könnte es meinen. Und man könnte denken, wer das Denken erforscht, weiß, wie das Denken funktioniert. Und da nur die intelligentesten Denker das Denken erforschen, müssen doch alle Aussagen, die sie in Bezug auf das Gehirn und somit das Denken treffen, zutreffend sein. Ja oder ja?

Nun ja. Manchmal nein. Gelegentlich jein. Oder keine Ahnung. Habe ich euch verwirrt? Euer Denken durcheinander gebracht? Gut. Denn genau das ist es auch, was Henning Beck in seinem Buch tut. Als studierter und anerkannter Gehirnforscher hat er sich jede Menge bekannter und nicht ganz so bekannter Mythen über das Hirn vorgenommen und Schritt für Schritt demontiert. Und das macht er auf recht angenehme Art und Weise, leicht und locker, plaudernd, als würde er mit dir und mir am Küchentisch sitzen und darauf warten, dass die Nudeln kochen, die er für seine Schwester zubereitet.

Zugegeben: Alle Mythen habe ich nicht geglaubt. Manche nicht einmal gekannt. Aber ... Es gibt eine Menge Dinge, auf die ich auch schon immer reingefallen bin. Bestes Beispiel: verschiedene Lerntypen. Wer hat noch nicht davon gehört, dass wir alle verschiedene Lerntypen sind, und die einen eben eher visuell lernen, während andere eher übers Gehör arbeiten oder indem sie sich alles, was sie lernen wollen tanzend beibringen? Oder waren wir nicht alle immer zu gern bereit, mit stolzgeschwellter Brust zu verkünden: Ich bin multitaskingfähig!? In Zukunft werde ich mir solche Aussagen verkneifen, dafür ziemlich gehässig lächeln, wenn jemand anders diesen Satz lauthals verkündet. Was denn, mein Gehirn ist gar nicht in Modulen gegliedert? Arbeitet überhaupt nicht wie ein Rechner? Warum denn nicht? Wie funktioniert es dann?

Tja. Da liegt der Hase im Pfeffer. (Ziemlich unangenehme Sache, könnte ich mir vorstellen. Ich jedenfalls muss ständig niesen, wenn Pfeffer um meine Hase ... ich meine Nase schwirrt!) Denn Henning Beck, begeisterter Hirnforscher und Neurobiologe, ist ehrlich genug zuzugeben, dass viele Fragen nach dem "Wie" einfach (noch) nicht beantwortet werden können. Hier und da mal ein bisschen Technik, dort und an jenem Ort einen Zipfel der Erkenntnisse erwischt - aber im Großen und Ganzen liegt alles im Gehirn noch im Schatten des Unverständnisses. Das macht die Forschung spannend, genauso wie dieses Buch, in dem all das, was man weiß (und auch nicht weiß) sehr gut und oft auch anhand von Beispielen aus dem Leben erklärt wird.

Ich habe auch nur wenig zu meckern. Dass man sich das Vorwort sparen könnte, zum Beispiel, genauso wie manche Witze. Weder das eine noch das andere ist sonderlich witzig, auch wenn es so gedacht ist. Das ist nicht meine Meinung, sondern belegt anhand des Impact Factors. ;D Wenn 9/10 aussagekräftigen Wissenschaftlern (die Leser dieses Buches) etwas für überflüssig halten, wird es wohl auch so sein. QED.
Spaß beiseite. Henning Beck hat es nicht nötig, krampfhaft auf spaßig zu machen, denn sein Schreibstil und die Art zu erklären, spricht für sich.

Fazit: Ein lässiges Sachbuch, das mit Gehirnmythen aufräumt und es nicht übel nimmt, wenn während des Lesens unsere Gedanken gelegentlich andere Wege einschlagen, denn: So ist das Gehirn nun einmal konzipiert. Wahrscheinlich. ;)