Rezension

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Herausragender Roman, spannend und emotional und noch dazu perfekt recherchiert

Schlaf der Vernunft
von Tanja Kinkel

Nach 20 Jahren wird Martina Müller, jetzt 48 Jahre alt und frühere RAF-Terroristen aus der Haft entlassen. Ihre Tochter Angelika, selbst Mutter zweier Kinder, wird vom Pfarrer der Haftanstalt gebeten, ihrer Mutter beizustehen. Angelika ist eher unentschlossen und sieht der Begnegung mit der Mutter nach so vielen Jahren mit gemischten Gefühlen entgegen. Der Kontakt zwischen den beiden ist nicht mehr vorhanden. Martina war es damals selbst, die jeglichen Kontakt verweigert hatte. Angelika weiß nicht, was für ein Mensch ihrer Mutter jetzt sein wird. Wird sie bereuen oder noch den alten Fanatismus in sich tragen? Auch andere Menschen erschreckt die Tatsache, daß Martina Müller wieder auf freiem Fuß ist. Sie war es, die mit anderen Mittätern für die Ermordung des Staatsekretärs Werder, seiner Sicherheitsleute und des Chaffeurs verantwortlich war. Für die Hinterbliebenen der damaligen Opfer beginnt damit eine neue schmerzhafte Phase. Für sie gibt es kein Leben nach der schrecklichen Tat, sie können nicht damit abschließen, den Mann oder den Vater verloren zu haben oder durch die Tat körperlich gezeichnet zu sein.

Dieser Roman ist wirklich herausragend. Ich hatte bisher noch kein Buch der Autorin gelesen und war daher umso gespannter. Zudem hat mich die Zeit der RAF immer sehr interessiert, da wir dieses Thema in der Schule nie angesprochen haben und ich mein geringes Allgemeinwissen dazu nur aus Filmen oder Berichten kenne. Dennoch hat mich das Wenige immer unheimlich erschüttert,  weil ich mir Deutschland in Zeiten solchen Terrors kaum vorstellen konnte und mich immer die Beweggründe der RAF und ihrer Sympathisanten interessiert haben. Was hat sie angetrieben, was gab den Auslöser, zu Terror, Gewalt und Mord? Wie konnten ganz gewöhnliche Menschen in blanken Hass zu Mördern werden und Angst und Schrecken verbreiten?

Dieser überaus gelungene Roman gibt hier einige Antworten und lässt einen auch an der Sichtweise der Terroristen teilhaben. Dabei werden excellent die geschichtlichen Fakten mit Fiktion verwoben. Das Buch hat mir viele geschichtliche Geschehnisse viel näher gebracht und dazu angeregt, einiges mit Hilfe des Internets noch genauer nachzulesen. Noch dazu werden die einzelnen Charaktere so bildhaft und lebensnah dargestellt, daß man egal ob Opfer oder Täter ein wenig in ihr Seelenleben eintauchen konnte und ihre Haltung nachvollziehen kann. Ein spannender, wendungsreicher aber auch sehr emotionaler Roman, der noch lange nachwirkt und Themen wie Schuld und Vergeben zum zentralen Thema macht.