Rezension

Historischer Thriller

Intrige - Robert Harris

Intrige
von Robert Harris

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Dreyfus-Affäre ist auch nach über 100 Jahren noch so wichtig, dass sie in den Geschichtsbüchern steht: Die Erzfeinde Deutschland und Frankreich haben sich schon oft bekriegt, und in Zeiten ohne Auseinandersetzung mit Waffen ist gegenseitige Spionage üblich. Als der französische Geheimdienst erfährt, dass ein Offizier geheime Dokumente an die Deutschen weitergegeben hat, wird mit allen Kräften nach dem Schuldigen gesucht. Und schnell wird ein Außenseiter beschuldigt - Alfred Dreyfus, der einzige Jude. In einem Militärprozess wird er 1894 zu lebenslanger Haft verurteilt und deportiert. Georges Picquart, ebenfalls französischer Offizier, hat auf Befehl als Beobachter an dem Prozess teilgenommen und wird anschließend zum Chef des Geheimdienstes befördert. In dieser Position entdeckt er, dass die angeblichen Beweise nicht aussagekräftig sind; später entdeckt er Hinweise darauf, wer tatsächlich der Spion war. Er drängt seine Vorgesetzten dazu, den Fall neu aufzurollen, doch diese weigern sich: Die Ehre der französischen Armee steht auf dem Spiel. Picquart wird abgeschoben, denunziert und bedroht; dennoch lässt er nicht locker. Gemeinsam mit anderen Mitstreitern wie z. B. Zola mit seinem berühmten Artikel "J´accuse" erreicht er eine Wiederaufnahme des Verfahrens.

Bisher kannte ich nur die groben Fakten aus dem früheren Geschichtsunterricht; die differenzierte Darstellung ist interessant. Unterschwellig spürt man in dem historischen Roman den damals herrschenden Antisemitismus, von dem auch Picquart nicht frei ist. In Harris Roman ist nicht Dreyfus die Hauptperson, sondern Picquart, aus dessen Perspektive erzählt wird. Und so begleitet man ihn bei zufälligen Entdeckungen, bei der gezielten Suche und schließlich bei seinem Bemühen um Gerechtigkeit. Das fand ich von der Sache her interessant; allerdings hätte ich mir mehr Einblick in die Charaktere gewünscht. Von Dreyfus und seinem Leiden erfährt man nur indirekt, und Picquart blieb für mich ein eher reservierter und daher blasser Charakter, mit dem ich nur ansatzweise mitfühlen konnte. So hinterließ das Buch auf mich dann doch leider keinen sehr starken Eindruck.