Rezension

Humorvoll und berührend

Wo bist du, Motek? - Ilan Goren

Wo bist du, Motek?
von Ilan Goren

Bewertet mit 4 Sternen

Nach dem Tod seiner Mutter zieht der Israeli Ilan Goren nach Berlin. Er arbeitet hier als Auslandskorrespondent des israelischen Fernsehsenders Channel 10. Aber vor allem möchte er seinen deutschen Wurzeln und Ahnen näher kommen und damit natürlich auch sich selbst.

Das Buch ist in zwei ineinander verwobene Erzählstränge gegliedert, die in ihrer Qualität recht unterschiedlich sind.

Der autobiographische Erzählstrang seines Lebens in Berlin, mit dem besonderen Blick des Ausländers, liest sich episodenhaft und oft witzig. Durch das Episodenhafte bleibt allerdings manchmal die Spannung etwas auf der Strecke. Goren entwirft hier eine kleine Hommage auf Berlin und zeichnet die üblichen Berliner Besonderheiten: Multikulti, 1.Mai Krawalle, Grunewald, Prenzlauer Berg und Kreuzbergatmosphäre, Sexclubs u.a.. Aber auch Neues gibt es zu erfahren, so wusste ich (als Berlinerin) z.B. nicht, dass es ein Internationales Aktivistenkomitee, Ostberliner Flügel, Niederlassung Friedrichshain gibt..:)

Der zweite Erzählstrang befasst sich mit seiner Familiengeschichte. Ilan fällt der Nachlass seiner verstorbenen Großmutter in die Hände. Darin befinden sich unter anderem ein psychiatrisches Gutachten über seine Großmutter und das Tagebuch seines Urgroßvaters. Dieses bezieht sich vor allem auf die Zeit von 1918- 1932. 1918 wanderte sein jüdischer Urgroßvater aus Polen nach Berlin ein. Von dort emigrierte er 1932 mit seiner Familie nach Palästina.
Diesen Erzählstrang fand ich durchweg interessant, spannend und sehr berührend geschrieben. Eine dysfunktionale, entwurzelte Familie jüdischen Hintergrunds wurde hier beschrieben, auf der Suche nach kultureller und religiöser Identität, Heimat und Zugehörigkeit.

Ilan Goren lässt den Leser ein Stück auf seinem Selbstfindungsprozess teilhaben, wenn gleich auch stets recht distanziert. Tiefere Prozesse skizziert er nur und lässt sie den Leser erahnen. Melancholie und Einsamkeit zeigen sich hier und dort, neben Witz und Humor.

Verwirrt war ich etwas, da ich erst nicht wirklich einordnen konnte, ob der zweite Erzählstrang auch autobiographisch ist oder nicht. Aber ich meine im Nachhinein verstanden zu haben, dass dieses der fiktionale Anteil ist – so wird das Buch auch als „halb Roman, halb Reportage“ ausgewiesen. Schade, diese Mischung irritierte mich.

Eine Bewertung fällt mir schwer, ich würde gern 3,5 Sterne geben, entscheide mich dann aber eher für 4, da das Werk mich doch sehr berührt hat.