Rezension

Krimi oder Thriller? Egal! Tolle Charaktere!

Leide! - Siegfried Langer

Leide!
von Siegfried Langer

Das war mein erstes Buch von Siegfried Langer, aber bestimmt nicht mein letztes - es hat mir sehr gut gefallen!

Die Art der Handlung und der Spannungslevel sind für mich irgendwo zwischen Krimi und Thriller angesiedelt. Ja, es gibt blutige, grausame, sogar eklige Szenen, aber doch eher wenige - was für mich völlig ok ist; meiner Meinung nach ist Hochspannung nicht zwingend mit Schockfaktor verbunden! Für mich lag der Reiz hauptsächlich in der Art und Weise, wie die Verbrechen aufgeklärt werden. Das Buch springt hin und her zwischen Zeiten, Orten und Protagonisten, und so ergeben manche Dinge erst im Rückblick wirklich Sinn. Erst war ich ein wenig skeptisch, ob das auf Dauer nicht zu verwirrend werden würde! Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt und fand danach sogar sehr originell und spannend, wie jedes kurze Kapitel dem Leser ein weiteres Puzzleteilchen in die Hand gibt, aus dem er nach und nach das Gesamtbild zusammensetzen kann.

Eine Sache, die erst am Ende ausdrücklich aufgeklärt wird, habe ich zwar schon eine Weile vorher vermutet. Aber es blieb meiner Meinung nach dennoch weiter spannend, weil man ja nicht nur wissen will, warum die Dinge so geschehen sind, sondern vor allem auch, ob die "Guten" siegen werden - und falls ja, wie sie das anstellen.

Der Klappentext verspricht liebenswert-skurille Figuren, und davon gibt es hier definitiv einige! Da haben wir zum Beispiel Kommissar Niklas Steg, der gerade erst an seine neue Dienststelle versetzt wurde und dort einen ermordeten Kollegen ersetzt - und dann wird schon an seinem ersten Tag eine Leiche mit gespaltenem Schädel gefunden... Wobei er sich zuhause quasi nebenher noch um seinen kranken Vater und seine demente Mutter kümmern muss, die ihm jeden Morgen ein Pausenbrot für die Schule packt.

Niklas kam mir vor wie ein intelligenter, kompetenter Ermittler, der auch mal um die Ecke denken kann. Allerdings hätte ich gerne noch mehr aus seiner Sicht über die Ermittlungen gelesen! Er ist definitiv ein Charakter, über den ich weitere Bücher lesen würde.

Die zweite "Hauptrolle" spielt Sabrina Lampe, die wenig erfolgreiche Privatdetektivin, die immer noch nicht verwunden hat, dass sie einen lausigen Zentimeter zu klein war für eine Karriere bei der Polizei. Sie ist Mutter einer blind verliebten Teenager-Tochter und tut ihr Bestes, deren fructanen Öko-Freund zu vergraulen, bevor die Beiden zusammen in der Kiste landen. Aus Mangel an lukrativen Aufträgen ist sie gezwungen, den Auftrag der unerträglichen Nachbarin Frau Schimmelpfeng anzunehmen, deren verschwundenen Neffen ausfindig zu machen. (Frau Schimmelpfeng wäre übrigens ein gefundes Fressen für eine Doku-Soap auf irgendeinem Privatsender.) Aber das stellt sich als weit schwieriger heraus, als erwartet, und sein Verschwinden ist nur die Spitze des Eisbergs in einer Geschichte voller Hass, Neid, Verrat, Gewalt, Verzweiflung und Verblendung.

Sabrinas trockener, sarkastischer, böser Humor hat mich schnell überzeugt und war dann für mich ein echtes Highlight des Buches. Überhaupt ist sie eine Frau, die voller Überraschungen steckt - zum Beispiel entspannt sie sich am Liebsten zu Rammstein und den Toten Hosen, und das auf Maximallautstärke.

Dann gibt es noch den armen Rentner, dessen Hundedame die Leiche gefunden hat, den jungen Türken, der beim Ladendiebstahl erwischt wurde und sich seither als dilettantischer Drohbriefschreiber versucht, die Kollegin von Niklas, die unbekümmert neben einer total verstümmelten Leiche in ein Leberwurstbrot beißen kann, und und und. Und natürlich Sven, dem man im Prolog schon begegnet, in einem Rückblick in seine Kindheit. Da betätigt er sich gerade freudestrahlend als Tierquäler... Und wie jeder Krimileser weiß, ist das kein gutes Zeichen.

Sehr gut fand ich, dass sogar jeder Nebencharakter lebendig und echt wirkt, auch wenn wir ihm nur in einer kurzen Szene begegnen. Der Schreibstil ändert sozusagen seine Handschrift, je nachdem, aus wessen Sicht wir das Geschehen gerade erzählt bekommen. Dadurch, dass er sich nicht durchgehend immer gleich liest, gewinnt man noch viel mehr Gespür für den jeweiligen Charakter.

Überhaupt hat mir der Schreibstil gut gefallen. Er liest sich flüssig, aber dabei nicht zu glattgebügelt und farblos.

Fazit:
Vor allem die Charaktere haben diesen Thriller für mich zu einem Lesevernügen gemacht. Aus verschiedenen Sichtweisen setzt sich Kapitel für Kapitel eine abgründige Geschichte zusammen, in der auch der schwarze Humor nicht zu kurz kommt.