Rezension

Liebloses Finale

Der Weg der gefallenen Sterne - Caragh M. O'Brien

Der Weg der gefallenen Sterne
von Caragh M. O'Brien

Bewertet mit 2 Sternen

„Der Weg der gefallenen Sterne“ ist der dritte und somit letzte Band einer dystopischen Trilogie von Caragh O’Brien, die mit einer Idee von genetisch bedingten Krankheiten einer Gesellschaft stark begann, mit diesem Band aber enttäuschend schwach abschloss.

Zum Inhalt: Gaia führt einen Teil der Bewohner Sylums als neue Matrach zurück zur Enklave, wo sie am Rande Wharftons, Gaias alter Heimat, ein neues Dorf namens New Sylum errichten und so den schädigenden Einflüssen der Sümpfe Sylums entkommen wollen. Allerdings sind sie darauf angewiesen ebenso wie Wharfton von der Enklave mit Wasser versorgt zu werden. Doch der Protektor der Enklave stellt sich quer. Werden Gaia, Leon und die anderen es dennoch schaffen?

Wenn ich heute, nachdem ich mit diesem dritten Band die Trilogie von Caragh O’Brien abgeschlossen habe, auf die Reihe um die junge Hebamme Gaia zurückblicke, muss ich sagen, dass ich enttäuscht bin. Der erste Band, „Die Stadt der verschwundenen Kinder“, war ein starker Auftakt, der mit einer guten Grundidee, einer gelungenen Umsetzung und einfallsreichen dystopischen Elementen sowie mit einer unerfahrenen, aber wissbegierigen und menschlich-nahbaren Protagonistin überzeugen konnte. Davon ist dem Finale der Trilogie nichts geblieben. „Der Weg der gefallenen Sterne“ wirkt lieblos, ohne Ideen und Lösungen, mittendrin eine verlorene, überforderte, aber auch uneinsichtige Gaia.

Obwohl ich den „Das Land der verlorenen Träume“, den zweiten Band der Reihe, immer noch gut fand, habe ich mich schon bei jenem gefragt, was sich die Autorin dabei gedacht hat, ohne Not für die Geschichte Sylum zu erfinden, und vor allem, wie sie die beiden ersten Bände durch nur einen einzigen weiteren abschließen möchte. Meiner Meinung nach begann der größte Fehler der Reihe bereits hier: Anstatt Gaias Konflikt mit der Enklave weiter zu erzählen, nachdem diese ihre Flucht begonnen hatte, baute die Autorin mit Sylum eine vollkommen neue - eine zweite - dystopische Gesellschaft mit eigenen genetischen Schwierigkeiten auf, in die Gaia und anschließend auch ihre große Liebe Leon, der angenommene Sohn des Protektors der Enklave, hinein gerieten. Bis auf die beiden Protagonisten und leichte Verknüpfungen durch Gaias Familie waren Sylum und die Enklave zwei eigenständige Welten – zwei Geschichten, die nicht innerhalb einer Reihe hätten erzählt werden sollen. Wohin Gaias Abstecher nach Sylum führte, sehen wir nämlich nun im letzten Band.

„Der Weg der gefallenen Sterne“ kämpft mit zu vielen Baustellen. Er muss nicht nur die offenen Fragen aus dem ersten Band lösen, Wharfton und die Enklave zu einer einvernehmlichen Lösung führen, Gaias verschwundenen Bruder und viele andere „vorgebrachte“ Kinder finden, möglicherweise Leon und seinen Ziehvater versöhnen und den genetischen Problemen und Krankheiten in der Enklave ein Ende setzen. Nein, er muss auch noch die Siedler Sylums retten, sie aus ihrem Dorf in eine neue Zukunft führen, deren genetische Schwierigkeiten, die sich in einer zu hohen männlichen Population zeigen, lösen und die Vierecksgeschichte zwischen Gaia, Leon und den Brüdern Peter und Will entwirren. Bei dem Versuch, die Enklave, also die Geschichte des ersten Bandes, und Sylum, die Welt des zweiten, zu vereinen, scheiterte die Autorin auf ganzer Linie. Es entstand eine Geschichte ohne Kernhandlung, die völlig verloren und sprunghaft von einer Baustelle zur nächsten hastete und keinen Weg aus ihrem eigenen Irrgarten der Probleme hinausfand.

Gaia wird zu einer Protagonistin, die mir mit ihrem Gutmenschentum den letzten Nerv raubte. Diplomatie ist ihr Allheilmittel, man kann doch über alles reden. Nur mit Gaia kann niemand reden, denn alle Ratschläge und jeden Appell an ihre Vernunft schmettert sie ab – und macht am Fließband immer wieder die gleichen Fehler, die zu nichts anderem führen, als einem ständigen Wechsel zwischen Aufenthalten in der Enklave und vor den Türen dieser. Dabei präsentieren sich der Protektor und die Enklave als Ganzes als das große Übel: Das Böse, das Gaia unendlichem Grauen aussetzen möchte – doch auch sie beschränken sich zunächst auf große aber mindestens genauso leere Worte. Es passiert einfach nichts, die Spannung geht gegen null, bis am Ende alles eskaliert und doch kein Handlungsstrang zufriedenstellend zu Ende geführt wird.

Sprachlich wirkt „Der Weg der gefallenen Sterne“ ebenso holprig wie schon die Handlungsführung. Lieblos reiht die Autorin ihre Ereignisse aneinander, lässt keine Gefühle aufkommen, nicht einmal mehr zwischen Gaia und Leon, die mir als Liebespaar einst so gut gefallen haben. Leon verkommt ohnehin zu einer blassen Randfigur neben der Matrach Gaia, die beinahe wie eine Diktatorin wirken könnte, wäre sie innerlich nicht so weich und entscheidungsscheu. Keiner der Charaktere dieses Bandes hat mir wirklich Freude bereiten können. Die meisten blieben farblos, manche Figuren aus der Enklave, die plötzlich wieder Bedeutung erlangen, waren zudem durch den zweiten Band so sehr in Vergessenheit geraten, dass ich sie nur noch schwer wieder einordnen konnte.

Fazit: So einen schwachen Abschluss wie „Der Weg der gefallenen Sterne“ hatte die Trilogie nicht verdient. Die Autorin versucht Sylum und die Enklave zu vereinen und scheitert an zu vielen Handlungssträngen. Das Ergebnis wirkt lieblos, wie eine Notlösung. Ich bin schwer enttäuscht. 2 Sterne.