Rezension

Mutters Augen

Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte -

Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte
von Tatiana Tîbuleac

Bewertet mit 4.5 Sternen

Aleksy verabscheut seine Mutter. Ihr Aussehen, ihre Art, ihr Leben. Einfach alles an ihr macht ihn unfassbar wütend oder ekelt ihn an. Und jetzt, wo die Sommerferien vor der Tür stehen, will er nur weg von ihr. Der Plan ist mit zwei Kumpels nach Amsterdam zu fahren und das mühsam Ersparte für das auszugeben, was 17-Jährigen Jungs eben so Spaß macht. Doch mit ihrem Auto als Bestechungsgut überredet seine Mutter ihn, den Sommer zusammen mit ihr in Frankreich zu verbringen. Und dieser Sommer wird Aleksy für immer prägen.

„Mutters Augen waren ein Versehen.“
Seite 14

Ich fand den Einblick in Aleksys Welt sehr gelungen. Seine Wut, seine Trauer und seine Verzweiflung waren absolut nachvollziehbar erklärt. Der Hass auf seine Mutter ist besonders zu Anfang nicht zu übersehen aber man merkt doch, dass da irgendwo Mitleid und Verletztheit in dem Jungen schlummern.

„Mutters Augen waren meine nicht erzählten Geschichten.“
Seite 80

Der Teil in Frankreich machte mir durchweg Fernweh. Ein altes Häuschen auf dem Land, Sonnenblumenfelder, Wochenmärkte mit Käse, Pasteten und Gemüse, frisches französisches Brot, Obstbäume, Sonne und eine Freiheit, wie man sie nur um Urlaub spürt. Und doch ist der Anlass der Reise ein sehr bedrückender, ja für Mutter und Sohn absolut lebensverändernder, was auch am Leser nicht spurlos vorbeigeht.

„Mutters Augen waren Felder voll geknickter Blütenstängel.“
Seite 71

Aleksy erzählt seine Geschichte manchmal etwas wirr, mit viel Wut aber auch wundervollen, berührenden Worten. Man erfährt nicht von jedem besonderen Ereignis in Aleksys Leben im Detail. Vieles was vorher oder nachher geschehen ist wird nur am Rande erwähnt, denn der Fokus liegt klar auf dem Sommer mit seiner Mutter. Ich hätte gerne noch mehr von diesen anderen Katastrophen oder Glücksfällen in seinem Leben erfahren, aber auch so ergab sich eine zwar schwere aber nichtsdestotrotz schöne Geschichte.

„Mutters Augen waren auf Bäumen gewachsene Muscheln.“
Seite 140

„Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte“ ist ein kurzer aber sehr intensiver Roman. Traurig, wütend, derb, zart, berührend und abstoßend zugleich erzählt Tîbuleac von Aleksy und diesem einen, besonderen Sommer mit seiner Mutter. Es ist keine leichte Kost und man darf nicht empfindlich auf derbe Wortwahl reagieren aber mit hat es sehr gefallen.

Kommentare

gst kommentierte am 09. Juni 2021 um 15:16

Schöne Reznsion für ein wirlich lesenswertes Buch!

wandagreen kommentierte am 22. September 2021 um 18:36

Diese Wut ist nicht normal - sie muss eine Ursache haben. Erfährt man sie?

Naibenak kommentierte am 23. September 2021 um 09:10

Ja durchaus, nicht bis ins Detail genau, aber es wird einiges aus der Vergangenheit benannt, was diese Wut begründen kann. Wie auch Minzi, hätte ich mir hier aber noch etwas mehr gewünscht. Gerade eben aus der Vergangenheit. Allerdings würde es dann aber nicht mehr zum knappen Erzählstil passen, denke ich ;-))

wandagreen kommentierte am 23. September 2021 um 10:27

Danke für Info.