Rezension

Schräge Idee gut umgesetzt

Er ist wieder da
von Timur Vermes

Bewertet mit 5 Sternen

Unglaublich ... rund 65 Jahre nach seinem Tod - eigentlich - wacht Adolf Hitler inmitten von Berlin auf einem unbebauten Grundstück auf. Seine Uniform ist schmuddelig und er stinkt nach Benzin und macht sich irritiert auf den Weg. Ein Kiosk ist seine erste "Zuflucht". Der freundliche Betreiber hält Hitler für eine geniale Kopie, später vor allem für einen erst recht genialen Comedian, der seine Rolle "wahrlich lebt".

So lässt er Hitler in seinem Kiosk übernachten und bringt ihm Ersatzkleidung mit, so dass Hitler seine alte Uniform in die Reinigung geben kann. Auch hier reagiert man irritiert auf den Mann, der dem echten Hitler so ähnlich ist und sich auch so gebärdet. 

Natürlich ist der olle Nazi vielfach irritiert ... soviele Türken in Berlin, dann noch etwas, dass sich Internet nennt, unglaublich viele Zeitungen und Fernseher ohne Bedienungsknöpfen und "Telefonapparaten", die man in der Jackentasche mitschleppen kann.

Dann hat sein erster Helfer eine Überraschung für ihn... jener Kioskbesitzer hat Kontakte zu einer Fernsehproduktion und diese eingeladen, sich den "Hitler" mal anzuschauen. Da dieser so authentisch ist und er krass wirkt, nimmt die Produktion den schrägen Typ mit Kusshand auf und baut ihn in eine von einem türkischen Komiker dominierten Sendung auf. Und dabei läuft Hitler ihm den Rang ab. Der echte Hitler, der aber unzweifelhaft als brillanter Comedian betrachtet wird, bricht Zuschauerrekorke und wird sogar Superstar bei Youtube,

Die Fernsehmacher sind außer sich vor Euphorie und planen weitere Auftritte.

Hitler wäre aber nicht Hitler, wenn er nicht anderes im Sinn hätte. Also lässt er sich zum Parteisitz der NPD fahren und "scheißt" den Bundesvorsitzenden Holger Apfel erstmal zusammen und moniert die Verweichlichung. Natürlich denkt auch dieser Herr Apfel, dass der so echt wirkende Typ nur eine Hitlerkopie ist.

Natürlich kommt dann auch noch die absolute Kraftprobe mit der Boulevardpresse, denn BILD klopft nun auch an und nimmt die Hitlerfigur klar auf die Hörner. Wer aber "Das 3. Reich" wieder einführen will, lässt sich davon nicht entmutigen...

Eindrücke... Der absolute Knüller ist, dass der Sprecher in bester Manier den Sprachgebrauch und den Tonfall Hitlers imitiert, ... inklusive des stets rollenden "R". Kein geringerer als Schauspieler Christoph Maria Herbst ist jener Vorleser, der sogar das Buch durch seine Vertonung und mit ganz eigener Note toppt. 

Viele Witzchen kommen deutlicher besser durch die gesprochene Fassung, wenngleich es das Buch selbst nicht bzgl. Lesespaß mindert. Aber die teils unfreiwillige Komik wirkt vertont noch intensiver. Dabei sind es teils nur simple Dinge bei einem Zeitsprung von mehr als 65 Jahren. Er spricht nicht vom Taxi, mit dem er unterwegs ist, sondern von der "Droschke". Und die T-Shirts der heutigen Zeit bezeichnet er ganz altertümlich als "Leibchen". Dies mögen nur zwei Beispiele bleiben, um nicht zuviel zu verraten, denn auch diese häufigen Sprachveränderungen sind Teil der unfreiwilligen Komik. Nun, ein Beispiel noch ... das Internet ist das Internetz in seiner Sprache. Und anstelle seine persönlichen "Homepage" wird diese, als sie online geht, als "Heimseite" angekündigt.

Natürlich ... die Story ist als "Ich-Erzählung" zwingend, um diesen Spaß zu ermöglichen. Im 21. Jahrhundert angekommen, bekommt natürlich Angela Merkel als Bundeskanzlerin ihr Fett weg (die Titulierungen verraten, wäre auch gemein, denn dann ist die Überraschung auch fort...), aber der absolute Knaller ist, als er den Bundesvorsitzenden der NPD, jenen Holger Apfel, als absoluten Versager für die "deutsche Sache" entlarvt. Es wundert vermutlich auch nicht, dass Hitler manchen Mitläufer der NPD als "Loser" entlarvt und ganz böse als "rassische Ausschussware" tituliert.

Manche Mißverständnisse zwischen Hitler und seiner "neuer Umwelt" werden durch klassisches aneinander vorbeireden erst möglich. Hitler, der sich einst auch als Maler ausprobierte, fühlt sich eben deshalb auch als Künstler durch sein Umfeld angesprochen. Diese Umwelt meint aber seine Auftreten als angeblichen Comedian und nicht seine Talente als Pinselschwinger. So glaubt sich Hitler beim Wort "Künstler" quasi richtig verstanden, und dass er mit seinem angeblich echten Namen nicht rausrückt, wird als Macke übernommen.

Die Neuzeit macht ihn ohne sehr sympathisch zum Idioten, der mit großer Naivität weiter seine thumben Gedankengänge ablässt und sich vom Volk (wieder) angenommen fühlt. Er kapiert's auch nach zahllosen Kapiteln und Episoden einfach nicht, dass er nicht als der echte Hitler erachtet wird.
 

Fazit... Das Buch war bereits gut, aber sich diese schräge Story später erneut als Audiobook zu gönnen, ist eine absolut kurzweilige Art und Weise, sich unterhalten zu lassen. Das tolle Buch noch durch Christoph Maria Herbst als einen genialen deutschen Schauspieler vorlesen zu lassen, ist nochmals eine zusätzliche Aufwertung.Der Spaß entwickelt sich nicht nur durch die Idee des Buchs, sondern vor allem auch durch die spaßige Umsetzung einer vermeintlich unfreiwilligen Komik. Natürlich ist diese volle Absicht !!! Und absolut gelungen sowieso !!! So bleibt nach mehr als 400 Minuten des Zuhörens ein absoluter Mega-Spaß ohne Längen oder Schwächen als Fazit. Im Gegenteil, man ist am Ende sogar ein wenig traurig, wenn die Geschichte über einen Vollpfosten, der plötzlich auferstanden ist, sein Ende findet. Zu gut ist das ganze Konstrukt des Autors. Vertont ist aus dem Buch dann sogar eine einzig mögliche Bewertung in Schulnoten klar ... deutsches ääääh deutliches "ein plus" !!!!!