Rezension

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Tolles Buch für jedes Alter

Wunder - R. J. Palacio

Wunder
von R. J. Palacio

Bewertet mit 5 Sternen

Was für ein wunderbares Buch !!!!!!!!!!!!
Eines steht fest: August (Auggie genannt) werde ich (und ich gehe jede Wette ein das es allen Lesern so gehen wird) ganz sicher so schnell nicht wieder vergessen.
Der zehnjährige August leidet an einem Gendefekt. Sein Gesicht ist stark entstellt, seit seiner Geburt musste er oft operiert werden.
Anstatt in eine normale Schule zu gehen, wurde der Junge zuhause unterrichtet.
Doch nun soll er in eine normale fünfte Klasse (amerikanische Privatschule) gehen.
Das kostet den innerlich ganz normalen, äusserlich sehr stark entstellten, Jungen natürlich sehr viel Mut. Und nicht nur ihn selbst.
Eins der besonderen Dinge an diesem Buch ist, das es aus mehreren Sichten erzählt wird. Auggie selbst kommt natürlich zu Wort, aber auch seine ältere Schwester Via, ihr Freund, Auggies Schulfreund (und neuer bester Freund)........ so entsteht für den Leser ein wunderbares Gesamtbild von Auggies Welt.

Die Gefühle und Handlungen der Hauptpersonen sind sehr gut beschrieben und dargestellt (auch wenn ich sagen muß das ich mich ganz besonders für eine bestimmte erwachsene (!!!) Person fremdschäme, die allen Ernstes meint gegen Auggie mobil machen zu müssen und andere noch aufhetzen zu müssen inclusive den eigenen Blagen........ gegen ein KIND, also wenn die nicht sonstwas schämen sollte dann weiß ich auch nicht weiter).
Jede erzählende Person ist einem beim lesen sehr nahe. Und man kann die beschriebenen Gefühle und Handlungen durch die guten Beschreibungen auch sehr gut nachvollziehen.
Egal ob es August selber ist, der die schwierige Herausforderung annimmt in eine normale Schule zu gehen und sich echte Freunde zu suchen und zu erkämpfen. Dabei muß er natürlich einiges über sich, die Anderen, die Welt etc. lernen (Streiten und Vertragen, auf miese Leute kann man pfeifen etc.). August selbst ist dabei so herrlich pfiffig und normal beschrieben das man ihn einfach gernhaben muß.
Ebenso erging es mir mit seinem besten Freund Jack Will. Natürlich war es bei den beiden nicht Liebe auf den ersten Blick. Jack Will nimmt nur widerwillig die Aufgabe an, die ihm (und 2 anderen) der Schuldirektor aufgetragen hat.... sich die erste Zeit um Auggie zu kümmern. Jack und sein Bruder haben Auggie früher schonmal gesehen..... den Jungen der nunmal wie ein Monster aussieht. Und er reagiert eben anfangs wie ein gedankenloser Mensch eben reagiert (er ist ein Kind). Aber er hat erstens einen tollen Charakter und zweitens (ganz wichtig) eine verständnisvolle Mutter, die den Jungen (bzw. ihre Jungs) nicht mit der Situation alleine lässt. Sie redet mit ihm, erklärt, gibt Denkanstösse........ auch in einer schlimmen Situation, in der Jack aus einer dummen Unachtsamkeit heraus fast Auggies Freundschaft für immer verloren hat. Menschen machen nunmal Fehler...... aber in einer echten Freundschaft kann man sowas überwinden und sich beweisen.
Auggies Schwester Olivia hat natürlich an der ganzen Situation auch zu knabbern dran. Sie liebt ihren Bruder sehr, leidet aber natürlich darunter ständig "die Schwester des Monsterjungen" zu sein. Deshalb möchte sie in ihrer neuen Schule sehr gerne das niemand von August weiß, einfach um mal nur als sie selbst wahrgenommen zu werden. Da ist klar das dies SO nicht klappt.
Auch Summer, Auggies Klassenkameradin und Freundin sowie Justin, Olivias Freund kommen zu Wort. Beide tragen zum Gesamtbild bei. Auch Olivias Freundin Miranda hat einen Erzählpart. Auch wenn sie zwar wichtig sind........ Miranda und Justin waren mir persönlich jetzt nicht annähernd so wichtig und nah wie August, Jack und Summer.
Gerne hätte ich auch mal die Eltern von August "gehört", aber das ist schon okay so das sie keinen Erzählpart haben, denn hier im Buch spielen die Kinder die Hauptrolle (auch wenn die erwachsenen Personen ihre wichtigen und richtigen Rollen einnehmen, nicht so wie in manchen anderen Geschichten wo man sich fragt was die Alten eigentlich treiben, da sie so gut wie nie präsent sind  ).
Ein bisschen schade ist vielleicht das Augusts Gegner (hinterhältiger Klassenkamerad Julian samt fieser Mutter) nicht selber zu Wort kommen. Obwohl ..... auf deren Meinungen kann man gelinde gesagt auch gut verzichten . Die Mutter ist ein intolerantes Aas und ihr Sohn Julian tutet natürlich ins gleiche Horn (kriegt ja auch nix anderes beigebracht).
Eine wirklich tolle Geschichte, sowohl für Kinder (ich würde sagen ab 10-11, wenn man es mit dem Kind gemeinsam liest, als auch für alle Menschen im Alter darüber.

Eine mir sehr liebe Figur aus dem Buch ist auch die alte Hündin Daisy. Sie kommt so real rüber und
es hat mich doch sehr zum weinen gebracht als sie eingeschläfert werden musste. Eine sehr traurige (realistische - denn genauso habe ich es in meiner Familie auch erlebt) Buchszene!

Das einzige was mir dann doch etwas traurig durch den Kopf ging war: tolle Geschichte, aber (leider !!) garantiert auch etwas unrealistisch. So sehr ich mir für Auggie so ein Happy-End wünsche....... das er echte Freunde findet, die auch für ihn einstehen, ich befürchte das die Realität das in den allerseltensten Fällen so passieren lassen würde. In echt hätte ich den Jungen wahrscheinlich nicht den Grausamkeiten aussetzen wollen, die ihn beim Wechsel in eine normale Schule erwarten. Wenn ich dran denke was ich mir schon alleine ziehen musste (und ich hatte lediglich falsche Klamotten und kein Geld gehabt, geschweige denn ein völlig entstelltes Gesicht).
Auch kann ich Auggies Mutter in mancher Hinsicht nicht nachvollziehen, vor allem was ihre Betüdelei von Auggies älteres Schwester betrifft. Also bitte - wer macht denn ein solches Theater daraus, wenn eine 15-jährige (!!!!) mit dem Bus/U-Bahn nach Hause fährt statt von Mami noch kutschiert zu werden . Also ich musste ab 10 Jahren sowohl hin als auch zurück zur Schule mit der U-Bahn fahren ohne das bei mir zuhause da ein Drama draus gemacht wurde . Zum Glück ist der Vater da ein vernünftiger Ausgleich. Ich bin meistens seiner Meinung. er ist da doch der vernünftigere Elternteil. Die Mutter überbetüdelt die Kinder doch arg.

Gar nicht einverstanden bin ich auch mit den Verfahrensweise als Jack Will Julian "eine reinhaut". Er bekommt ein paar Tage Schulverweis und muss sich entschuldigen (bei Julian !!!). JA, auch wenn das Strafmaß schon ein milder Kompromis ist - also wenn Jack mein Sohn wäre (oder auch wenn ich Jack selbst wäre)..... würd ich nicht einsehen...... JULIAN gehört bestraft für sein intolerantes mobbendes Verhalten nicht Jack. Jack hat seinen Freund verteidigt. Sorry aber manchmal kann man etwas nicht mit labern lösen (hat man mir zumindest beigebracht, ich wäre zuhause gelobt worden dem Knilch eine verpasst zu haben und ganz sicher hätte ich micht NICHT bei Julian entschuldigen dürfen, da wären meine Eltern eisern gewesen und hätten mich notfalls von der Schule genommen). Da kann ich das Getue heutzutage nicht nachvollziehen. Da hätte ich mir in dem Moment im Buch etwas deutlicheres gewünscht, nicht dieses wischi-waschi-du-darfst-NIEMALS-zuhauen-BLABLA (ICH hab zuhause Ärger gekriegt wenn ich "mir was gefallen gelassen hab" da hieß es "wehr dich").
Ebenso wird im Laufe der Geschichte so nebenbei noch so eine heutige Pseudo-Moral deutlich: bei den Halloween-Kostümen. So darf Auggie zum Beispiel keinen Star-Wars-Blaster haben (das ist eine Waffe und somit verboten *Augenverdreh*) . Also gibts da heutzutage wohl auch nur Cowboys ohne Spielzeugknarre, piraten ohne Schwerter, Ritter nur mit Schildern keine Schwerter........ also dann kann man es auch ganz lassen. ABER und jetzt kommts: Auggie kann als "der Killer aus Scream" verkleidet kommen. Erstens: haben 10-jährige Kiddies Ahnung von Slasher-Filmen zu haben??? Und b) keine Spielzeugrevolver für Weltraumhelden, aber als irrer Serienkiller (!!) rumrennen ist dann okay............. (nicht falsch verstehen : ALLE meine Kritikpunkte kritisieren nicht wirklich das Buch, denn wie es im Buch beschrieben wird ist es ja nun leider auch oftmals in der Realität). Die Welt ist bekloppt geworden.

Aber das tut der Geschichte letztendlich alles keinen großartigen Abbruch. Nur kleine Kritikpunkte meinerseits (und die beziehen sich mehr auf die realität als auf das Buch, denn die beschriebenen Situationen wären sicherlich auch real oftmals so)
.
Es ist einfach nur ein richtig tolles, sehr nahegehendes Buch (ähnlich erging es mir mit "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" auch wenn das ein ganz anderes Thema ist).
Es ist sehr ehrlich und fair , gerade durch seine verschiedenen Sichtweisen. Nur fürchte ich das Auggie im echten Leben einfach keinerlei Chance hätte....
Aber wer weiß??? Selten (ZU selten) gibts ja auch mal was gutes in der Realität. Und wer Auggie und seine Freunde im Buch kennenlernen durfte....... der handelt vielleicht auch in der Realität nicht so wie die intoleranten Fieslinge dieser Welt.

Mein Fazit: UNBEDINGT LESEN !!

P.S. Keine Bange - es ist auch kein "Betroffenheits-auf-die-Tränendrüse-drücken"-Buch. Dafür sorgt schon Auggie selber - ein einfach nur herrlich "normaler" kluger Junge, der einfach nur ein ganz normaler Junge sein möchte. Aber ihr werdet sicherlich lachen, weinen usw.