Rezension

Trotz Schwachstellen lesenswert

Der Junge im gestreiften Pyjama - John Boyne

Der Junge im gestreiften Pyjama
von John Boyne

Bewertet mit 4 Sternen

Vorab: Ich gehe hier auch auf den Inhalt des Buches ein! Über den Inhalt wurde ja ein Geheimnis gemacht. Wenn es eines für dich bleiben soll, lies dir meine Rezension nicht durch. 

Es geht um zwei Jungen, die aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen wurden und ungewollt nach Auschwitz ziehen. Der eine Junge wächst privilegiert auf, der andere Junge lebt unter widrigen menschenunwürdigen Umständen. Getrennt werden sie durch einen Zaun des Konzentrationslagers. Bruno und Schmuel freunden sich an und der Leser darf ihre Leben und ihre Freundschaft oberflächlich über ein Jahr lang verfolgen, wobei wir Schmuel nur am Zaun kennen lernen. 

Bruno wohnt mit seinen Eltern und seiner Schwester Gretel in einem großen Haus. Sie verfügen über Angestellte (Dienstmädchen und Zwangsarbeiter/Sklaven aus dem KZ). Die Kinder werden (zeitgemäß) autoritär erzogen, was man in der Reife und Naivität der beiden Geschwister erkennt. Brunos Fragen werden nicht beantwortet, die Kinder werden von den Eltern kindlich gehalten, die grausame Welt bleibt ihnen verschlossen. Selbst nach über einem Jahr versteht Bruno nicht, wer Juden sind und warum diese auf der anderen Seite des Zauns leben. 

Kritik:

Ich finde, dass Brunos (fast anerzogene) Naivität von dem Autor gut dargestellt wurde. Da hätte es nicht mehr gebraucht. Der Autor hat es jedoch übertrieben und Bruno dümmlich wirken lassen: Bruno spricht mit seinen neun bzw. zehn Jahren den Ort, an dem er über ein Jahr lebt grundsätzlich falsch aus, obwohl er mehrmals verbessert wird. Zudem ist sein Vater ein Kommandant, der für Auschwitz zuständig war. Soll heißen, der Junge dürfte in der Lage sein über den „Führer“ sprechen zu können. Kann er jedoch nicht, es bleibt bei „Furor“, zwar auch passend, aber nervig für mich als Leserin. Dass er immer „Aus-Wisch“ sagt und es beibehält, finde ich einfältig, denn auf der anderen Seite ist Bruno auch ein emphatisches Kind und relativ gewandt und einfallsreich. Ein zehnjähriges Kind dürfte in der Lage sein, „Auschwitz“ und „Führer“ richtig auszusprechen. Auch, dass er nichts über Juden weiß, kann ich kaum nachvollziehen. Ein Kommandant, der Leiter eines KZ-Lagers ist und regelmäßige Kontakte zum Führer unterhält, dürfte von dem, was er tut, überzeugt sein. Radikale Menschen versuchen jedem ihren Willen aufzuzeigen und sicher war er zudem von der Richtigkeit seiner Taten überzeugt. Der Vater hätte seine Ansichten in seine Erziehung einfließen lassen. Von daher ergibt es keinen Sinn für mich, dass Bruno so blauäugig ist / bleibt. Das alles führt zu einem Verlust der Authentizität. Außerdem weist die Übersetzung des Buches an einigen Ecken Schwachstellen auf, z.B. heißt es an einer Stelle „wegversetzt“. 

ACHTUNG SPOILER: Nicht weiterlesen! Überspringe den Absatz, wenn du nichts über das Ende erfahren willst!!! Das Ende finde ich gelungen. Es war zwar relativ vorhersehbar und so schrecklich es auch ist, ich habe es mir in dieser Art vorgestellt. Nicht falsch verstehen, aber die Welt war derartig ekelhaft und grausam, dass ich ein Happy End nicht authentisch gefunden hätte, zumal dieses Buch zum Nachdenken anregen soll. 

Alles in allem ist der Roman trotzdem lesenswert. Er vermittelt kein Wissen, zeigt uns aber auf, wie hilfreich eine vorurteilsfreie Freundschaft sein kann und dass sie auch Verrat verzeiht.