Rezension

Ungewöhnlich und einfallsreich

Ich gebe dir die Sonne - Jandy Nelson

Ich gebe dir die Sonne
von Jandy Nelson

Bewertet mit 4.5 Sternen

Jude und ihr Zwillingsbruder Noah sind unzertrennlich. Obwohl sie beide sehr unterschiedlich sind - Jude bei allen beliebt, mutig und laut und Noah eher zurückhaltend und geheimnisvoll - gehören die beiden zusammen und teilen ihre Geheimnisse und Sorgen miteinander. Gemeinsam arbeiten sie daran, an einer renomierten Kunstschule angenommen zu werden und den Traum ihrer Mutter zu erfüllen. Doch ein Jahr später hat sich die Beziehung der beiden plötzlich geändert: Sie reden kaum noch miteinander, gehen sich aus dem Weg und scheinen sich so weit wie Sonne und Mond voneinander entfernt zu haben. Doch was ist passiert?

 

"Ich gebe dir die Sonne" ist eines dieser Bücher, bei denen man nicht richtig vorhersehen kann, was man für eine Geschichte bekommt. Denn nicht nur, dass die Idee neu und spannend ist, auch die Umsetzung ist ungewöhnlich und das Buch hebt sich definitiv von anderen ab.

 

Erzählt wird aus zwei verschiedenen Perspektiven, denen von June und Noah. Dadurch lernt man beide sehr gut kennen und sieht die Geschichte aus unterschiedlichen Winkeln und kann beide besser verstehen. Gleichzeitig gibt es bei diesen Erzählperspektiven auch noch einen zeitlichen Unterschied, denn die beiden berichten aus verschiedenen Zeitpunkten, zum Beispiel als sie noch fest zusammenhalten und dann ein Jahr später, als die Beziehung zerbrochen scheint. Das klingt verwirrend, ist es aber nicht, denn die Autorin hat es geschafft die Geschichte so zu schreiben, dass man immer genau weiß, wer gerade erzählt und wann. Außerdem macht es das Buch für mich zu etwas ganz besonderem, denn man bekommt nicht nur die unterschiedlichen Sichtweisen der Zwillinge mit, sondern hat auch das Gefühl, dass jeder der beiden anders erzählt und seinen Charakter mit einfließen lässt. Besonders spannend wird das dadurch, dass sich die Beiden im Laufe der Geschichte stark verändern und sich der jeweilige Erzählstil mit ihnen anpasst. So bekommt man nicht nur inhaltlich eine tolle Geschichte geliefert, sondern auch erzähltechnisch einiges geboten.

 

Die Geschichte an sich hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Ich möchte hier eigentlich nicht zu viel verraten, außer dass die Geschichte zwar eher ruhiger, aber trotzdem sehr spannend ist. Sie hat eine tolle künstlerische Atmosphäre - schon allein dadurch, dass Noah ständig zeichnet und die beiden an eine Kunstschule wollen. Aber auch andere kreative Ideen wie ein grummeliger Bildhauer oder eine mit ihrer Großmutter sprechenden Protagonistin sorgen dafür, dass diese Stimmung etwas ganz besonderes wird.

 

Wer mal wieder Lust hat, zu einem ungewöhnlichen, schönen und besonderen Jugendbuch zu greifen, das nicht nur unterhält, sondern auch einen tollen Mehrwert hat, der sollte sich dieses Buch definitiv noch einmal genauer. Mich konnte es sehr überraschen und blieb mir auch noch lange nach dem Lesen im Kopf!