Rezension

vielschichtig

Underground Railroad
von Colson Whitehead

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung:

Ich finde amerikanische Geschichte sehr interessant. Vieles ist geschichtlich so stark verwurzelt, dass seine Auswüchse bis in die aktuelle Gegenwart reichen. Meiner Meinung nach ist das Thema Slavery bis heute noch nicht abgehakt und auch noch nicht wirklich aufgearbeitet. Deswegen finde ich es auch sehr wichtig, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich dieses Thema zu Herzen nehmen und ein Buch darüber schreiben. Eins kann ich vorweg nehmen: Den Pulitzer Preis hat Colson Whitehead nicht umsonst bekommen. Er schafft es ein geschichtlich traumatisches Ereignis mit Mitteln der Gegenwart in Szene zu setzen. Seine Geschichte enthält fantastische Elemente. So stellt er die Underground Railroad nicht, wie wirklich existierend als ein im Untergrund arbeitendes Netzwerk aus Gegnern der Sklaverei dar, sondern als ein wirkliches unterirdisches Zugsystem.

Der Einstieg gelang leicht, auch wenn die Geschichte erst nach einigen Seiten wirklich fesselnd wurde. Doch dann nahm sie an Fahrt auf. Whitehead berichtet in schockierender Weise über die damaligen Zustände. Seine Geschichte wirkt gut recherchiert und leider erstaunlich realistisch. Angesichts der menschenverachtlichen Handlungen wünscht man sich, dass es sowas besser niemals gegeben hätte. In dieser schlimmen Zeit schafft er aber mit Cora einen Charakter, der den Leser immer wieder aufbaut und dazu bringt weiter zu lesen. Man möchte erfahren wie es mit ihr weiter geht.

Cora ist ein vielschichtiger Charakter. Ihre Gedanken, welche in Gesprächen offenbart werden, helfen dem Leser sich in die Geschichte zu versetzen. Man kann sie verstehen und leidet mit ihr mit. Durch diese Art die Geschichte zu erzählen fühlt man sich ihr stark verbunden. Sie ist ein starker Charakter, der trotz der Grausamkeiten noch nach einem Sinn im Leben sucht.

Die fantastischen Elemente sind eine interessante Idee. Vor allem, da sie vor dem Hintergrund einer so alten Kulisse stattfinden, wo Fantasy an sich noch nicht in der Form existiert hat. Trotzdem finde ich, dass sich Historie auf der einen und Fantasy auf der anderen Seite nicht unbedingt ausschließen. Vielmehr gehen beide in diesem Buch eine Art Symbiose ein, die erstaunlicherweise gut funktioniert. Ich empfand es nicht als störend oder unpassend. Es schaffte allerdings ein bisschen Distanz von der Realität der Geschichte. So konnte Whitehead auch ein wenig davon Abstand nehmen eine Geschichte über Sklaverei zu erzählen. Selbstverständlich ist der Kern trotzdem eine Erzählung darüber, aber es wurde schon etwas abgeschwächt.

Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Der Autor schafft es gut zwischen Distanz und Nähe zu seinen Charakteren hin und her zu springen. Das Buch lässt sich flüssig lesen.

Insgesamt finde ich, dass es ein sehr gelungenes Buch ist, das das Thema Sklaverei beleuchtet und so auch auf aktuelle gesellschaftliche Probleme anspielt. Vielschichtige Gesellschaftskritik.