Rezension

Szenische Biografie mit klarer Sprache

Seinetwegen -

Seinetwegen
von Zora del Buono

Bewertet mit 4 Sternen

60 verpasste, 33 gelebte Jahre

„Seit das erste Kraftfahrzeug aus einer Fertigungshalle rollte, haben mehr als 50 Millionen Menschen ihr Leben ans Auto verloren. Über jeden Einzelnen von ihnen könnte man eine Geschichte erzählen. Über sein Leben. Über sein Sterben.“

Inhalt

Zora del Buono begibt sich auf autobiografische Spurensuche zum Leben ihres früh verstorbenen Vaters, an den sie sich selbst gar nicht erinnern kann. Die Lücke, die sie beschreibt, muss nicht gefüllt werden, denn die Abwesenheit des Vaters ist alles, was die Autorin kennt. Ihr Fokus liegt darauf, die Todesumstände von Manfredi del Buono auszuloten und ein Verständnis für den Fahrer des Autos zu entwickeln, der als Unfallverursacher mit dem Leben davonkam, aber Jahrzehntelang mit seiner Schuld zurechtkommen musste. Ganz nebenbei lässt sie auch ihr eigenes Leben und das der Mutter Revue passieren, versucht Entwicklungen zu erklären und gleichzeitig aufzuzeigen, dass es immer weitergeht, bis zu einem Tag X, den keiner kennt und der ganz plötzlich da sein kann oder auch lange auf sich warten lässt …

Meinung

Die Inhalte des Buches lesen sich nicht wie eine Biografie, obwohl sie genau das sind. Es ist ein interessanter Mix aus Roman, Lebensbericht und szenischer Erzählung rund um die Thematik des Unfalltods und die Auswirkungen eines solchen auf die Beteiligten. Die Frage der Schuld oder Unschuld ist der zentrale Mittelpunkt des Buches, jedoch ohne Anklage und Moralisierung, es sind die Verkettungen, die erschrecken, die Vorurteile, die nach genauerem Betrachten entkräftet werden und eine sachliche Omnipräsenz von Geschehnissen, die keiner verantworten und die nicht rückgängig gemacht werden können.

Der Erzählstil ist puristisch, konzentriert sich auf Kernpunkte, nimmt aber auch immer wieder Parallelen in den Einzelschicksalen auf: wie lebt es sich ohne Vater, wie überschattet ein Unfalltod das Leben der Zurückgebliebenen und wie kann man als Betroffener sein Leben gestalten, ohne verbittert dem Schicksal gegenüberzutreten?

Man kann das Buch zwischenzeitlich bei Seite legen und findet problemlos wieder hinein. Man kann auch willkürlich eine Seite aufblättern und etwas Lesen, der rote Faden ist da, die Chronologie der Ereignisse nicht zwingend erforderlich. Stellenweise sind es Einblicke in normale Alltagssituationen, dann wieder sehr philosophische Gedanken, die zum Nachdenken anregen. Auf jeden Fall erfährt man subtil etwas vom Denken der Autorin und von Ihrer Lebensgeschichte.

Fazit

Dieser biografische Roman ist kurzweilig, mäßig bedrückend mit sonnigen Abschnitten – irgendwie ein bisschen von allem. Er wirkt authentisch, wirft Fragen auf und beantwortet nur einige von Ihnen. Es hat mir gut gefallen, dass die Autorin mittlerweile selbst 60 Lebensjahre absolviert hat, dadurch wirkt es weniger pathetisch, eher versöhnlich im Handeln und erfahren im Unterton. Ich vergebe dennoch nur 4 Lesesterne, was hier fehlte war die Nähe zum Leser - manches hätte eins zu eins einer Quelle aus der Tageszeitung entspringen können. Auch der Mehrwert des Buches erschließt sich mir nicht restlos, es ist ein persönlicher Bericht, doch längst keine umfassende Erzählung. Zum Schmökern und für Gedankenimpulse hat es Potential, man gut darüber sprechen, es fördert den Austausch, bleibt aber nicht nachhaltig in Erinnerung.