Rezension

Sympathischer Protagonist, schräge Charaktere, leider chaotischer Schreibstil und nicht so emotional wie erwartet

Jetzt spricht Dylan Mint und Mr Dog hält die Klappe - Brian Conaghan

Jetzt spricht Dylan Mint und Mr Dog hält die Klappe
von Brian Conaghan

Bewertet mit 3 Sternen

Zum Inhalt:

Das Schicksal meint es wirklich nicht gut mit Dylan Mint. Als ob es für den 16jährigen nicht schon schlimm genug wäre, an Tourette zu leiden und auf eine Beklopptenschule gehen zu müssen, erfährt er auch noch durch Zufall, dass er in einem halben Jahr sterben wird. 

Sofort macht sich Dylan daran, eine Liste der Dinge zu erstellen, die er unbedingt noch erledigen muss. Erstens: Für seinen allerbesten Freund Amir, einen autistischen Pakistani, einen neuen besten Kumpel finden. Zweitens: Seinen Vater nach Hause holen, der in einer supergeheimen Mission als Soldat in Afghanistan kämpft. Und drittens: Mit Michelle Malloy das erste Mal erleben, die trotz ADHS und Klumpfuß die heißeste Frau auf dieser Welt ist. 

Doch da ist auch noch Mr. Dog, der in Dylans Brust wohnt und immer dann raus will, wenn der Moment extrem ungünstig ist...

Meine Meinung:

Mit Dylan Mint hat der Autor Brian Conaghan eine sehr liebenswerte Romanfigur erschaffen. Wir nehmen Anteil an Dylans Gefühlen und Gedanken und erleben alles aus seiner Sicht, was besonders wichtig ist bei dem ein oder anderen... nun ja, Geheimnis bzw. Missverständnis.

In diesem Buch wimmelt es nur so von schrägen Charakteren. Amir, Dylans bester Kumpel, hat nicht nur unter rassistischen Anfeindungen zu leiden, er ist außerdem Autist und zwar ein toller Freund für Dylan, aber irgendwie auch keine echte Hilfe. Michelle Malloy beschimpft Dylan als Spast, und es ist nur schwer vorstellbar, dass aus ihr und Dylan tatsächlich mal was werden könnte. Dylans Mum, die ihn quasi allein erzieht, ist sehr fürsorglich und liebevoll, aber verheimlicht ihrem Sohn auch zu viele Dinge, was nur zu unnötigen Missverständnissen und Problemen führt. Dazu gibt es eine Reihe weiterer interessanter Nebencharaktere, denn Dylan geht auf eine Schule für besondere Kinder, und alle haben ihr Päckchen zu tragen. 

So sympathisch ich Dylan und Amir auch fand, so verwirrte mich doch deren Verhalten und Ausdrucksweise. Gerade Dylan leidet "nur" an Tourette und ist nicht geistig minderbemittelt oder unterentwickelt, dennoch redet er oft wie ein Kind, hat bei offensichtlichen Zusammenhängen eine sehr lange Leitung, und ich hatte beim Lesen stets das Gefühl, er und Amir seien erst 12, 13 Jahre alt und nicht schon 16. Auf der einen Seite werden inflationär oft Wörter wie "Schwanz" oder "ficken" verwendet, auf der anderen Seite sind die beiden so unschuldig, kindlich-naiv.

Mit dem Schreibstil bzw. Dylans Ausdrucksweise hatte ich gerade am Anfang echte Probleme. Er verwendet seinen eigenen Slang, und man könnte sich sagen, ok, er ist ein Teenager, und Teenager reden nunmal Jugendsprache. Und ich bin nunmal schon lange kein Teenager mehr und verstehe das ein oder andere vielleicht einfach nicht. Ich glaube aber kaum, dass die hier verwandte Jugendsprache authentisch ist. Es ist eher ein Mix aus Dylans eigenen Wort-Kreationen und vermutlich verunglückten Übersetzungen aus dem Englischen, über die ich oft gestolpert bin und die in meinen Ohren sehr seltsam klangen. Nur ein paar kurze Beispiele:

>>> Ich bin Pink Floyd erfreut., molto problemo, Da bin ich fast Koma gelaufen., Wowee-zowee, Doppelt Manometer!, Supersexyhexi, Coolio Daddio, blödie-blöde, mega-coca-cool, Verwirrt-dot-com <<<

Da Dylans Gedanken - vor allem wenn er gerade einen Tic hat - ziemlich durcheinander sind, trägt der Schreibstil nicht gerade zum besseren Verständnis bei, teilweise liest sich das Buch ziemlich hektisch und chaotisch.Vor allem die Dialoge und SMS-Unterhaltungen zwischen Dylan und Amir fand ich extrem anstrengend, und nicht immer habe ich verstanden, worum es jetzt eigentlich geht (Na ja, meistens darum, Michelle Malloy flachzulegen.). Stellenweise bin ich nur schleppend durch das Buch gekommen.

Auch wenn ich die Charaktere mochte, so fehlte mir ein bisschen der Bezug zu ihnen. Emotional hat mich die Geschichte nie so richtig gepackt, auch wenn ich z. B. Dylans Liebe zu seiner Mutter und seine unglaubliche Loyalität seinem besten Kumpel gegenüber toll fand.

Gut herausgearbeitet wurde meiner Meinung nach das Tourette-Syndrom. Ich habe bislang zwei Autobiographien von Betroffenen gelesen („Ficken sag ich selten“ von O. Blumberg & „Sechs Millionen Kekse im Jahr“ von J. Thom – beide kann ich sehr empfehlen!), und so weit ich das beurteilen kann, sind Dylans Symptome und sein Verhalten bei seinen Tics sehr realistisch und plastisch dargestellt. Der Autor leidet selbst an einer milden Form von Tourette und weiß vermutlich, wovon er schreibt.

Alles in Allem ist "Jetzt spricht Dylan Mint..." nette Unterhaltung mit außergewöhnlichen Charakteren, das mich jedoch nicht wirklich emotional erreichen konnte. Auch der ungewöhnliche, geradezu anstrengende Schreibstil hat das Lesevergnügen ziemlich beeinträchtigt.