Rezension

ein prächtiges Buch, das mit Detailfülle glänzt

Der Attentäter - Ulf Schiewe

Der Attentäter
von Ulf Schiewe

Bewertet mit 5 Sternen

ein prächtiges Buch, das mit Detailfülle glänzt

Ulf Schiewe gehört in Deutschland zu den ganz Großen im Bereich der Historischen Romane. Mit seinem neuen Werk „Der Attentäter“ (2019) legt er wieder ein prächtiges Buch vor, das mit Detailfülle glänzt und dessen Figuren einen sofort mitfiebern lassen. Der vorliegende Band, eigentlich ein historischer Triller über das Attentat in Sarajevo, beweist, dass Geschichte unterhaltsam, spannend und sogar lehrreich erzählt werden kann, wenn diese gut recherchiert und mit wenigen fiktiven Elementen ausgestattet ist.

 

Erzählt wird aus der Perspektive des erzherzogliches Ehepaares, das sich nach Sarajevo begibt; aus der Perspektive der Attentäter — von ihrer Vorbereitung bis zur Durchführung des Blutaktes; schließlich auch aus der Sicht eines fiktiven Geheimdienstoffiziers, welcher der Sache auf die Spur kommt und mit allen Kräften versucht, die Katastrophe zu verhindern. Zu jedem Kapitel sind die Ausschnitte aus der Wiener- und internationalen Presse vorgelegt, so dass der Leser hier mit dem Geschehen in der Welt und in der k. u. k. Monarchie im Laufschritt mithalten kann.

 

Vor unseren Augen entspinnt sich während einer Woche vor der Gräueltat ein spektakuläres Gefüge, das in seiner Komplexität ordentlich zum Mitfiebern einlädt. Wer die Auflösung kennt, — und das soll heutzutage jeder, — den wird das blutige Ende von Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie von Hohenberg natürlich nicht schocken können. Vielleicht gerade diese Kenntnis lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Details zu achten, weil hier vor allem der Weg das Ziel ist, und der ist nicht bloß dank den unfassbaren Zufällen in die Katastrophe gesteuert, sondern auch ganz schön stilsicher in einen Roman eingearbeitet worden. Ulf Schiewe schürt Emotionen und weist gerade dadurch, dass er das Pulverfass Europas — so war und ist der Balkan bis heute — gekonnt in Worte fassen kann. Geschickt lässt er die Geschichte erzählen und zieht dabei das Tempo an, sodass in der hohen Informationsdichte der Zugang zu den Figuren nicht verlorengeht.

 

In vielen Szenen im Buch verdeutlicht der Autor, dass die Jungs, die bald Attentäter werden, nur verblendete Fanatiker sind, die für eine Illusion kämpfen. Emotional fesselnd sind der Thronfolger mit seiner Frau beschrieben. Durch ihr Verhalten, ihre Gedanken und Gespräche konnte ich mir ein gutes Bild vom Thronfolgepaar machen. Mit jedem Satz bzw. Tag tat mir diese lebendige, den Widerständen des Wiener Hofs trotzende Sopherl einfach leid. Ich wollte ihr eine Hand reichen und sagen, es wird alles gut. Doch wird es das? Kann es das?

 

Der Autor besitzt einen sagenhaft bildhaften und lebendigen Schreibstil. Schon nach wenigen Seiten wurden mir die Charaktere vertrauter und interessanter geworden. Des Weiteren gefällt mir an „Der Attentäter“ besonders gut das gezeichnete Bild eines Landes, das bunt, lebendig, unruhig und vielfältig ist, das gerade aber an dieser Vielfältigkeit zu zerbrechen droht. Zudem schafft der Autor es immer wieder, dass man klüger und mit neuen Informationen aus seinen Romanen herausgeht.

 

Ulf Schiewe hält sich recht gut an die historischen Fakten und Ereignissen. Sicherlich gibt er sich auch die schriftstellerische Freiheit, seine eigene Interpretation einzubauen, — darüber wird im Nachwort berichtet, — aber das macht er gut durchdacht, sodass die Geschichte unterhaltsam und spannend erzählt bleibt. Insgesamt kann ich den Roman absolut positiv bewerten und verdiente 5 Sterne vergeben.