Rezension

Originelle Ideen, aber nur durchschnittliche Umsetzung

Immernacht - Ross Mackenzie

Immernacht
von Ross Mackenzie

Bewertet mit 3 Sternen

Mrs Hester, die grausamste Magierin im Silberkönigreich, möchte durch das Freilassen der Immernacht jegliche magische Kraft endgültig an sich reißen. Um die Immernacht kontrollieren zu können, braucht sie allerdings noch ein Kästchen mit geheimnisvollem Inhalt. Dafür schickt sie Schattenjack los, einen grausamen Dschinn, der ihr dienen muss, solange sie seine Urne besitzt. Durch eine Verkettung von Zufällen findet jedoch Larabelle Fox, ein Waisenkind, das sich den Lebensunterhalt mit der Suche nach Schätzen in der Kanalisation verdient, das Kästchen zuerst und Schattenjack heftet sich an ihre Fersen.

Das Cover hat auf mich sofort Eindruck gemacht, als ich es zum ersten Mal online gesehen habe. Das Design ist wunderschön! Ich finde allerdings, dass es matt hochwertiger aussehen würde als glänzend. Auf dem Cover deutet sich schon an, dass in dem Buch Steampunk-Elemente auf Schauriges und Fantasy treffen. Die Steampunk-Elemente waren im Buch aber so sehr im Hintergrund, dass sie mich eher irritiert haben. Ich hatte die ganze Zeit eher das Gefühl, ein langes Märchen zu lesen, und dann werden z.B. plötzlich Leute erschossen und man muss sich daran erinnern, dass das Genre ja diese seltsame Mischung ist, die gut hätte werden können, aber für mich gar nicht harmoniert hat. Der einerseits klassische, andererseits moderne Charakter von Magie (wird im Kessel gebraut, dann aber mit Zauberstab abgefeuert) hat mich auch nicht überzeugt.

Eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen ist mir teilweise schwergefallen. Sehr viel Sympathie hatte ich für den kleinen Joe, aber mit Lara konnte ich kaum mitfiebern, obwohl mir ihr Charakter an Anfang gefallen hat. Doppelacht wurde zu Beginn sehr vielversprechend ausgearbeitet, wurde mir dann aber zu schnell zu „normal“, obwohl sein „Problem“ theoretisch weiterbestand. Schattenjack war eine interessante Figur, über die man aber kaum etwas erfahren hat. Mrs Hester schließlich war eine so klassische Antagonistin ohne weitere interessante Facetten, dass sie an eine böse Hexe im Märchen erinnerte. Auch die Schlichtheit der Geschichte hatte etwas von einem sehr langen Märchen.

Nach einem in meinen Augen sehr gelungenen Start hat die Erzählung in der zweiten Hälfte immer mehr nachgelassen, ich fand es einfach nicht mehr so spannend, herauszufinden, was passiert. Das lag nicht nur an der schon erwähnten fehlenden Verbindung zu den Figuren; die Geschichte springt räumlich auch ein wenig herum. Ich hatte das Gefühl, dass der Autor uns sehr viele Orte zeigen wollte, die er auch sehr kreativ erdacht hat, aber nicht immer war es für die Geschichte sinnvoll, dass Lara sich an diesen Ort begeben hat. Als sie z.B. ihrem Medaillon folgt, führt das zunächst zu nichts als einem Haufen Irritation für andere Beteiligte. Besonders zum Ende hin habe ich immer mal wieder das Verhalten der Figuren hinterfragt.

Zum Schluss noch ein Hinweis: Einige Szenen in dem Buch beschreiben relativ explizite Grausamkeiten (die sich jetzt aber auch nicht auf Splatter-Niveau bewegen). Wenn man es ab 11 empfiehlt, was man meiner Meinung nach durchaus tun kann, dann zumindest nicht für empfindliche Kinder. Insgesamt ist „Immernacht“ eine sehr solide, durchschnittliche Geschichte mit durchaus kreativen Ideen, die mich aber in der Umsetzung einfach nicht packen konnte.