Rezension

Arbeiten, gehorchen, dienen

Die Bienen - Laline Paull

Die Bienen
von Laline Paull

Bewertet mit 4 Sternen

Darf ich vorstellen – Flora 717, meine neue Lieblingsliteraturheldin! Dagegen sieht die süße, knuffige Biene Maja richtig langweilig aus. Mit einer sehr geringen Erwartungshaltung, aber einer gewissen Neugierde ging ich die Lektüre an und bin sofort hängen geblieben. In Laline Paulls Debüt ist alles enthalten, was ein gutes Buch braucht: Action, Spannung, Abenteuer, die richtige Dosis an Gefühlen und eine sehr sympathische Heldin.

Wer es noch nicht wusste: Auch bei den Bienen im Bienenstock herrscht eine strenge Hierarchie. Flora 717 gehört dem Geschlecht der Arbeiterbienen an, genauer gesagt den Hygienearbeiterinnen. Diese können in der Regel nicht mal mit den anderen Bienen des Stocks sprechen und verrichten nur die niedersten Arbeiten. Flora ist von Beginn an eine Ausnahme, sie spricht, ist intelligent und sehr mitfühlend. Das bekommt eine der undurchsichtigen Melissenpriesterinnen des Bienenvolkes mit und setzt Flora als kleines Privatexperiment in einem Bereich ein, der ihr sonst nahezu untersagt ist: die Säuglingsstation. Einmal sensibilisiert, lässt sich Flora auch nach Löschung ihres Gedächtnisses nicht mehr davon abbringen, sich ihre Arbeit selbst auszusuchen. Mit ihr zusammen betritt der Leser die vielen unterschiedlichen Arbeitsbereiche der Honigbienen, erlebt wie ein Bienenstock aufgebaut ist, welche Strapazen die Sammlerinnen auf sich nehmen, um ihr Volk zu ernähren und welchen Gefahren sie unterwegs wie daheim ausgesetzt sind. Allein die allumfassende Liebe der Bienenkönigin hält das Volk in Spur, die wenigen männlichen Bienen werden umsorgt und maßlos mit Honig und Nektar verwöhnt, die Bienenpolizei verbreitet regelmäßig Angst und Schrecken zur Vorbeugung aufmüpfiger Bienen – nur der Königin ist das Eierlegen erlaubt, alle anderen arbeiten, gehorchen, dienen!

Laline Paulls Sprache ist leicht verständlich und hält nicht auf. Allein aus Floras Perspektive ist die Welt der Bienen zu entdecken. So wird bis zur letzten Seite die Spannung aufrecht gehalten, denn obwohl es ein Schwarmgehirn gibt, stehen nicht alle Bienen auf dem gleichen Wissensstand oder werden für das Allgemeinwohl dazu gebracht, Erlebnisse wieder zu vergessen. Tauscht man während der Lektüre in Gedanken die Bienen gegen Menschen aus, würde sich Paulls Roman ohne weiteres ins Genre Science Fiction oder Fantasy einreihen lassen. Die zur Zeit populären dystopischen Bücher stellen ebenso gern eine auserwählte außergewöhnliche jugendliche Heldin in den Mittelpunkt der Handlung und zeigen, wie diese die fragile Welt um sich herum erst recht zum Einsturz bringt. Mögen wir Leser auch wie selbstverständlich Analogien zu unserem Leben und den daraus erwachsenden Ängsten ableiten, Das Buch Die Bienen verspricht in erster Linie das, was Titel und Einband klar suggerieren: Ein Roman über das Volk der Bienen aus Sicht einer einzelnen Biene. Absolut lesenswert!